Dr. Nz-Nz Bednarczyk: „Die Technoetikette“
: Hör auf zu johlen!

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Ausgehen und Rumstehen von

Svenja Bednarczyk

Am Wochenende war ich tanzen auf einer richtig schönen Technoparty. Zwar tanzen ja in Berlin fast alle irgendwie zu „elektronischer Musik“, doch benehmen sich viele auf der Tanzfläche, als wären sie im Schlagerstadel. Deswegen heute ein paar Regeln für mehr Spaß auf der Tanzfläche:

§ 1: Du sollst in Richtung des Auflegenden tanzen. Bei einem Konzert guckt man sich schließlich auch die Band an. Auch wenn man im Club meistens nur auf einen Typen und sein MacBook glotzt. Oder auf den schwitzigen Rücken seines Vordermanns, wenn man klein ist. Der Vorteil: Niemand muss sich beim Tanzen beobachtet fühlen. Der Nachteil: Man kann niemanden beim Tanzen beobachten.

§ 2: Bitte nicht schubsen, ich habe keine Augen im Hinterkopf. Wenn alle konzentriert Richtung DJ schauen und es auf der Tanzfläche laut und dunkel ist, ist es gar nicht so einfach, ohne Zusammenstöße über die Tanzfläche nach vorn zu schreiten. Die schüchterne Ankündigung „Entschuldigung, darf ich mal durch?“ wird nicht funktionieren. Best practice ist, seine Hand in schlangenförmigen Bewegungen zwischen die beiden Köpfe vor einem zu stecken. Das ist gleichermaßen elegant und gruselig.

§ 3: Hör auf zu johlen. Lautes „Woooohooo“, „Aiaiaiaiai“ und Pfiffe auf der Tanzfläche darf man sich gern für sein liebstes Roller-Derby-Team aufheben.

§ 4: Menschliche Interaktionen und Körperkontakt sind zu vermeiden. Die Tanzfläche ist zum Tanzen da. Im besten Fall saugt der Techno einen in einen Tunnel, man fällt in einen meditativen Zustand, ist ganz bei sich. Blöd ist dann, wenn neben einem ein Plenum abgehalten wird, in dem die Großgruppe besprechen muss, ob sie jetzt lieber zur Bar oder auf die Toilette will.

§ 5: Du sollst dein T-Shirt anlassen. Das gilt vor allem in linken Clubs für Männer und wird dort auch durchgesetzt. Wer dagegen verstößt, wird dafür mindestens ermahnt oder sogar rausgeworfen. Man kann argumentieren: Frauen können ihr Shirt auch nicht so einfach ausziehen, ohne sich dafür sexistische Sprüche anhören zu müssen. So wird T-Shirt-Tragen zum solidarischen Akt. Auf anderen Partys wiederum können alle ihre Shirts, Schuhe oder Hosen ausziehen. Auf manchen muss man es sogar.

§ 6: Antanzen geht gar nicht. Wer auf der Tanzfläche schon mal eine Hand oder ein anderes fremdes Körperteil an seinem Arsch kleben hatte, weiß, dass das einem durchaus den Abend verderben kann. Kacke, dass man das überhaupt aufschreiben muss, aber isso. In guten Clubs kann man die Grabscher zumindest rauswerfen lassen.

§ 7: Lass den DJ seine Arbeit machen. Egal, ob du seine Handynummer willst oder wissen, wie das letzte Lied hieß, sprich ihn nicht an. Liederwünsche auf Zettelchen dagegen sind so dumm-naiv, dass es schon wieder süß ist. Erfüllt werden sie trotzdem nicht. Aber warum hast du überhaupt Stift und Zettel dabei?

§ 8a: Nimm so wenig mit wie möglich. Man tanzt ohne Rucksack oder Beutel, um Menschen hinter einem nicht zu stören. § 8b: Nein, man legt sein Zeug auch nicht auf der Tanzfläche ab.§ 8c: Nein, auch nicht am Rand. § 8d: Bitte auch nicht den DJ fragen, ob er die Tasche nicht vielleicht hinters Pult… § 8e: Der Arbeitskraft an der Garderobe ist es egal, dass du 1,50 Euro für die Leistung „ganz schön happig“ findest.

Am Wochenende war ich auf einer Party, bei der sich 99 Prozent der Gäste an die Technoetikette hielten. Sehr gute Musik, angenehme Menschen, alles stimmte dort, es ist die schönste Party der Stadt. Und damit das auch noch lange so bleibt, halte ich mich an die Nachhaltigkeitszusatzvereinbarung. Da steht im Kleingedruckten: keine Namen, keine Strukturen. Bitte den Geheimtipp nicht in die Zeitung schreiben.