PRESS-SCHLAG Ist die extrem hohe Ablöse für den brasilianischen Offensivspieler Neymar obszön? Ein Pro und Contra
: Zweihundertzweiundzwanzig Millionen

Neymar da Silva Santos Júnior ist ein guter Fußballer. Aber ist er auch 222 Millionen Euro Ablöse wert? Das ist die falsche Frage. Daher: Wohin führt es, wenn für einen Spieler Fantastillionen bezahlt werden? Es führt in eine moralische Wüste, in der Maßlosigkeit die einzig gültige Währung ist.

Neymar ist zum Spielball von Finan­ziers geworden, die beliebig viele Milliarden in den Sport stecken. Nicht etwa, um eine Rendite zu erzielen bei Klubs wie Paris St. Germain, Manchester City oder dem AC Mailand, nein, es geht um die Repräsentation ihrer finanziellen Potenz – um Protz. Sie legen sich Fußballklubs zu wie Jachten oder einsame Inseln in der Karibik. Fußballklubs werden zum schicksten Accessoire für Prinzen aus Katar und Milliardäre aus China. Alles ist nur eine Frage des Geldes.

Doch gibt es nicht Regeln, die Fußballverbände aufgestellt haben, dieses ominöse Financial Fairplay? Ja, theoretisch gibt es dieses Mittel zur Beruhigung eines außer Rand und Band geratenen Marktes. Aber die Regeln werden trickreich umgangen, und die Uefa schaut dem Treiben staunend zu. Getan wird wenig bis nichts. Die Folge: Die reichen Klubs werden reicher. Die guten Kicker werden absurd teuer. Es kommt in verschärfter Form zu einem Prozess, der seit zwanzig Jahren in der globalisierten Wirtschaft zu beobachten ist.

Mittelgroße und kleinere Klubs werden distanziert. Ihnen fällt es schwerer, konkurrenzfähig zu bleiben. Das führt dazu, dass es im europäischen Fußball nur noch selten Überraschungen gibt, denn die marktbeherrschenden Klubs beherrschen nun einmal auch die Gegner. Die Geldschwemme ist selbst für deutsche Dickschiffe wie den FC Bayern zum Problem geworden, weil sie die 50+1-Regel wie einen Knebel empfinden müssen und nun in der Sommerpause zum Geldscheffeln in Asien verdammt sind.

Der Geldsackfußball, der geboten wird, ist unterhaltsam, keine Frage. Aber geht es im Sport nicht auch darum, dass man nicht schon vor dem Spiel weiß, wer gewinnt? Wenn es in diesem Stil weitergeht, schiebt sich eine Fußballfinanzelite die Titel zu, und der Rest schaut in die Röhre. Markus Völker

Zwei ungeprüfte Informa­tio­nen vorneweg: Die Sängerin Adele soll im Jahr 2016 etwa 80 Millionen US-Dollar erhalten haben. Bei ihrer Kollegin Taylor Swift sollen es sogar 170 Millionen US-Dollar gewesen sein.

Haben die das verdient? Ist das gerecht? Nein, selbstverständlich nicht. Es ist auch nicht ob­szön. Vielmehr zeigt es bloß, was möglich ist, wenn man sich auf einem Markt tummelt, auf dem die Gesetze der Konkurrenz wirken. Nennen wir’s Fußballkapitalismus, muss man denen entgegenhalten, die sich angesichts des Transfers von Neymar von Barcelona nach Paris entrüsten. Es ist sogar ein Lehrstück darüber, wie Ökonomie funktioniert: Alle Versuche einer politischen Deckelung, egal ob sie sich „Financial Fairplay“ oder „Obergrenze für Managergehälter“ nennen, müssen scheitern, wenn die Chance auf einen exorbitant hohen Gewinn besteht; diese Erkenntnis haben der FC Barcelona und die Anwälte Neymars sehr hübsch illustriert.

Und neu ist die Aufregung über den Neymar-Deal auch nicht. Der erste Millionentransfer in der Bundesliga, die Summen, die derzeit von chinesischen Klubs geboten werden – wer will, kommt aus dem Sich-Echauffieren nicht mehr heraus. Nach Neymar werden es noch höhere Summen sein.

Doch immer gilt: Es ist die Konkurrenz, die diese Transfersummen produziert und die sie refinanzierbar macht. Und dass da, anders als bei Millioneneinnahmen, die Adele oder Taylor Swift kassiert – von Bill ­Gates oder Roman Abramowitsch wird sowieso abgesehen, von Klaus-Michael Kühne, Dietmar Hopp oder Dietrich Mateschitz auch –, so viel Empörung mitschwingt, dürfte an dem Irrglauben liegen, der Sport sei doch etwas Besonderes (oder müsste es sein), hier dürfe der schnöde Mammon nicht zählen.

Weil aber der Sport dieses merkwürdige und falsche Image hat, dass es bei ihm moralischer und ehrenwerter zuginge als anderswo, ist er für die vielen Investoren, die sich von ihm eine enorme Rendite erhoffen, so interessant.

Danken sollten wir Neymar für diese Erkenntnis – bzw. besser: seinen Beratern und Geldgebern. Martin Krauss