Verdi-Sekretär über Charité-Streik: „Tägliche Überlastung“

Wieder wird an der Uniklinik gestreikt. Würde der Tarifvertrag umgesetzt werden, wäre das nicht nötig, so Verdi-Sekretär Kalle Kunkel.

Demonstrant mit Mundschutz

Streikende Charité-Pfleger, hier im Juni 2015 Foto: dpa

taz: Herr Kunkel, erst vor einem guten Jahr wurde an der Charité ein Tarifvertrag für mehr Personal unterschrieben. Am Dienstag soll schon wieder wegen fehlenden Personals gestreikt werden. Wieso das?

Kalle Kunkel: Es hat sich gezeigt, dass wir zwar gute Vorgaben für die Personalausstattung auf den Stationen vereinbart haben, diese aber nicht verbindlich umgesetzt werden. Vor allem wenn es zu Unterbesetzungen kommt, reagiert die Charité nicht ausreichend. Nun wollen wir eindeutiger regeln, was im Falle der Abweichung von der notwendigen Schichtbesetzung passiert. Wenn es keinen Ersatz etwa aus dem Stellenpool oder durch Leiharbeiter gibt, müssen eben auch Leistungen eingeschränkt werden, also weniger Betten belegt oder weniger Operationen durchgeführt werden.

Hat sich mit dem Tarifvertrag, in dem bundesweit erstmals ein verbindlicher Personalschlüssel vereinbart wurde, denn nichts gebessert?

Der Personalabbau ist gestoppt. Die Charité stellt wieder ein – aber nicht genug. Die Behauptung, dass es jetzt schon mehr als 200 zusätzliche Pflegekräfte gibt, können wir nicht überprüfen. In vielen Bereichen wird immer noch so stark auf Leistungssteigerung gefahren, dass es täglich zu Überlastungssituationen kommt.

36, ist Gewerkschaftssekretär bei Verdi. Er ist zuständig für die Uniklinik Charité und deren Tochterfirma CFM.

Sind die Beschäftigten denn bereit, schon wieder zu streiken? Die Auseinandersetzung um den letzten Tarifvertrag dauerte fünf Jahre.

Es gibt eine gewisse Ernüchterung, dass der erkämpfte Tarifvertrag nicht schon zum Durchbruch geführt hat. Gleichzeitig sind die KollegInnen unglaublich wütend, dass der Arbeitgeber weiterhin darauf setzt, möglichst viele Betten zu belegen und OPs zu fahren, egal ob genug Personal vor Ort ist. Deswegen haben wir grundsätzlich eine hohe Streikbereitschaft.

Aber?

Aktuell kämpfen wir damit, dass sich die Charité weigert, eine Notdienstvereinbarung abzuschließen, wie es bislang üblich war. Diese sieht vor, dass im Gegenzug für eine frühe Streik­ankündigung von uns weniger Betten während der Streikzeit belegt werden. So bringt die Charité Patienten gegen das Streikrecht der Beschäftigten in Stellung und verhindert bei vielen KollegInnen eine Streikteilnahme.

Verdi verhandelt mit der Charité über die Weiterentwicklung des Tarifvertrags Gesundheitsschutz und Mindestbesetzung. Dieser war nach langem Arbeitskampf zum Mai 2016 in Kraft getreten und ist nun ausgelaufen.

Weil die Gespräche stocken, findet am Dienstag ein erster Warnstreik statt. Geplant sind symbolische Aktionen, der ­Krankenhausbetrieb soll ohne große Einschränkungen weiterlaufen. (epe)

Kritik haben nun auch Beschäftigte des im Januar neu eröffneten OP-Trakts geübt. Woran hakt es da?

Viele Probleme resultieren dar­aus, dass es nun weniger Säle gibt als zuvor, die zugleich auch noch weniger Platz bieten. Die Geräuschbelastung ist enorm gestiegen. Patienten, die narkotisiert werden, sind nur durch ein Tuch von anderen abgetrennt. Gleichzeitig soll hier weiterhin die gleiche Leistung erbracht werden, es wird also mitunter bis in die Nachtstunden hinein operiert. Einige Kollegen haben bereits gekündigt, aber passiert ist nichts. So kommt es häufiger vor, dass eine Anästhesie-Pflegekraft nicht mehr wie vorgesehen für einen Patienten zuständig, sondern für zwei bis drei. Der Brandbrief, den die KollegInnen jetzt geschrieben haben, wäre in diesem Punkt nicht notwendig, würde sich die Charité an den Tarifvertrag halten.

Der Senat hat den neuen Charité-Vertrag beschlossen. Demnach steigt der Zuschuss von aktuell 208 Millionen Euro bis 2022 auf 247 Millionen, die privatisierte Tochterfirma Charité Facility Management GmbH (CFM) soll rekommunalisiert werden. Sind Sie zufrieden?

Dass die Mittel aufgestockt werden, ist gut. Die Frage ist nur: Wie wird damit umgegangen? Bei der CFM gilt: Auch eine 100- prozentige Tochter, bleibt eine Tochter. Über die Bezahlung ist damit noch gar nichts gesagt.

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