Frauen interessieren nur am Rande

Bundestagswahl Ein Lobbyverband checkt die Wahlprogramme und stellt fest: Sieht mau aus für Frauen

BERLIN taz | Heiraten oder nicht? Kinder oder keine? Teilzeit, Vollzeit, Minijob? Frauen haben heute die Wahl, wie sie leben wollen. Doch nicht jeder Lebensentwurf wird von der Politik unterstützt. Welche Partei tut am meisten für Frauen? Und was ist den PolitikerInnen, die am 24. September in den Bundestag gewählt werden wollen, wichtig?

Der Blick in die Parteiprogramme wird jetzt erleichtert. Der Deutsche Frauenrat (DF), der Dachverband aller Frauenorganisationen und damit größter Frauenlobbyverband, hat die Wahlprogramme der sechs Parteien, die am sichersten den Einzug ins Parlament schaffen, nach „Frauenkapiteln“ abgesucht und analysiert.

Das Ergebnis ist ernüchternd: Die Linke widmet laut DF 3,54 Prozent ihrer ­Wahl­kampfthemen Frauen, bei den Grünen sind es 3,23 Prozent. Die SPD folgt mit 2,8 Prozent. Sollte es künftig eine schwarz-gelbe Koalition geben, könnte es für Frauen nicht gut aussehen: Die Union bedenkt sie mit 0,6 Prozent ihres Programms, die FDP mit nicht einmal 1 Prozent.

Die AfD hat der einen Hälfte der Bevölkerung kein eigenes Kapitel gewidmet. Dafür wendet sie sich stärker der Familie zu: Mit „Maßnahmen zur mittelfristigen Erhöhung der Geburtenrate“ soll der „Erhalt des eigenen Staatsvolks“ vorangetrieben werden. Verbände, die Alleinerziehende im Blick haben, sollen vom Staat nicht finanziert werden. Die Ehe als Lebensmodell wird präferiert, Abtreibungen sind tabu, die Genderideologie will die AfD verbannen.

Ein Gradmesser der Geschlechtergerechtigkeit ist die Haltung zum Ehegattensplitting, das insbesondere die Einverdienerehe fördert. Grüne, SPD und Linke wollen das Ehegattensplitting zugunsten von Individualbesteuerung und Erhöhung des Kindergelds (unabhängig davon, ob die Eltern miteinander verheiratet sind) verändern. Das soll allen Familien helfen. Union, FDP und AfD wollen es weiterhin traditionell.

Weitere Kriterien für Chancengleichheit von Frauen und Männern sind das Recht zur Rückkehr auf Vollzeit nach der Familienphase sowie Gehältertransparenz. Sowohl Grüne und Linke als auch SPD und Union sprechen sich in ihren Programmen dafür aus. Deshalb rechnet der DF für die nächste Legislaturperiode hier mit einer parlamentarischen Mehrheit.

Simone Schmollack