Bremerhaven zufrieden mit der Niederlage

Underdog Der Fünftligist Leher TS kann die Niederlage im DFB-Pokal gegen den Erstligisten 1. FC Köln im Rahmen halten und verliert nur mit 0:5

„In Bremen kommt eine Hundertschaft, bei uns eine Zehnerschaft“, sagt ein Fan beim Anblick des Polizeigrüppchens, das sich vor dem Nordseestadion anguckt, wie sich etwa 30 Bremerhavener Ultras mit Gesängen und Bewegungsspielen in Stimmung bringen. In Bremerhaven gehört Underdog-Bewusstsein zur soziokulturellen Grundausstattung – besonders im Hinblick auf die 70 Kilometer entfernte Landeshauptstadt. Umso größer war die Freude, als die Fußball-Herren der Leher Turnerschaft im Frühjahr das Bremer Landes-Pokalfinale gegen den auf Verbandsebene scheinbar unschlagbaren Bremer SV im Elfmeterschießen gewann und damit in die erste Runde des DFB-Pokals einzog.

Zu dem fuhr nun der imposante Mannschaftsbus des 1. FC Köln in den Stadtteil Lehe ein: Fünftligist gegen Europapokalteilnehmer, noch dazu im laut Bild-Zeitung „ärmsten Stadtteil Deutschlands“ – mehr Underdog geht nicht. Eine Kraftanstrengung bedeutete es für den Klub bereits, den Höhepunkt der 119-jährigen Geschichte überhaupt zu Hause feiern zu dürfen, da die harten Auflagen des DFB jede Menge Nachrüstungen am in die Jahre gekommenen Nordseestadion notwendig machten.

8.500 Zuschauer sahen dann eine Leher Mannschaft, die es zwar nur auf eine Torchance brachte, die aber mit Kampf und Geschick das Ergebnis mit 0:5 im Rahmen hielt – zumal sie ab der 50. Minute nach einer Roten Karte wegen absichtlichem Handspiel auf der Torlinie nur noch zu zehnt spielten. „Es ist komisch, nach einer Niederlage zufrieden zu sein – aber ich bin es“, sagte TS-Trainer Dennis Ley.

Unbeachtet von der Öffentlichkeit genoss einer auf der Tribüne dieses Spiel, der einst in diesem Stadion die besten Zeiten des Bremerhavener Fußballs mitgestaltet hat. „Ich bin ein bisschen stolz auf meinen Heimatverein“, sagte der aus Bayern angereiste Ur-Bremerhavener Egon Coordes, der einst beim Leher TS das Kicken lernte. Ende der 70er-Jahre war Coordes Trainer des im Nordseestadion beheimateten OSC Bremerhaven, der damals zwei Jahre in der 2. Bundesliga spielte. „Heute ist hier leider nur noch der Nachwuchsbereich Spitzenklasse“, sagt Coordes, der es bis zum Cheftrainer beim HSV und beim VFB Stuttgart brachte und noch bis vor ein paar Jahren als Scout für Bayern München tätig war. „Etwas frecher hätten sie sein können“, sagt Coordes zur Leistung des Leher TS.

So frech wie kurz vor der Pause, als Egzon Sula an der Strafraumgrenze freigespielt wurde und den Ball an die Unterkante der Latte setzte. Da stand es zwar schon 0:2, aber für wenige Momente breitete sich die Hoffnung aus, hier doch noch für eine Sensation sorgen zu können. Das gelang nicht, aber Lattenschütze Sula hatte noch lange nach dem Spiel eine Gänsehaut bei dem Gedanken an diesen Moment. Für Spieler wie ihn und eine Stadt wie Bremerhaven bietet nur der Pokal die Chance für Fußball-Momente wie diesen.

Und ab jetzt sorgen in Bremerhaven Basketball und Eishockey für Glücksmomente – die sind hier spitze und in Bremen nicht. RLO