Platz machen für eine Künstlerin

UMBENENNUNG In Friedrichshain soll es einen Annemirl-Bauer-Platz geben. Die Tochter der 1989 verstorbenen DDR-Künstlerin setzt sich dafür ein

Eigentlich klingt die Sache ganz einfach: In Friedrichshain gibt es einen etwa fußballfeldgroßen Platz direkt am S-Bahnhof Ostkreuz, der offiziell noch keinen Namen hat. Eine Anwohnerinitiative hat eine Idee für einen Namen, und diese passt auch noch gut in die Zeit: Vor 20 Jahren fiel die Mauer, geehrt werden soll eine Gegnerin der DDR. Da sich allerdings die dafür vom Senat eingesetzte Sanierungsbeauftragte, die Beratungsgesellschaft für Stadterneuerung und Modernisierung mbH (BSM), einen anderen Namen wünscht, wird seit Monaten debattiert. „Das ist alles ein großer Kindergarten“, sagt die Künstlerin Bärbel Bohley, die die Bürgeridee unterstützt.

Der Konflikt begann, als die BSM Faltblätter in die Briefkasten der Anwohner steckte, auf denen stand: „Wir schlagen Ihnen vor, den bereits eingeführten Namen nach dem Münchner Maler Franz Lenbach offiziell zu übernehmen.“ Laut Behörde kennen die meisten Anwohner die Fläche als „Lenbachplatz“. „Wir sind da ganz pragmatisch: Wenn die Menschen den Platz sowieso schon so nennen, dann sollte er auch so heißen“, sagt Gaby Morr von der BSM.

Die Anwohner hatten die Möglichkeit, für Lenbach zu stimmen oder einen Alternativvorschlag zu machen. Amrei Bauer hatte einen Vorschlag: Es sei höchste Zeit, dass ihre Mutter, die DDR-Künstlerin Annemirl Bauer, geehrt wird. Sie entwarf selbst einen Flyer und fand hunderte Unterstützer für die Idee, aus dem Niemandsland den „Annemirl-Bauer-Platz“ zu machen.

Die 1939 geborene Künstlerin, die vor 20 Jahren gestorben ist, gilt als bedeutende Stimme der Frauenbewegung. Sie unternahm illegale Reisen ins Ausland, etwa nach Spanien und Frankreich, und bekam Arbeitsverbot in den 80er-Jahren. „Das Mauerfall-Jubiläum und der 20. Todestag meiner Mutter wären ein wirkungsvoller Zeitpunkt für die Ehrung einer Gegnerin der DDR“, sagt Bauer.

Bärbel Bohley kannte Annemirl Bauer gut: „Wenn es um den Kampf um Meinungsfreiheit ging und die Rechte der Frauen, hat keine ihre Stimme so erhoben wie Annemirl Bauer.“ Es sei für die Gesellschaft wichtig, eine solche Frau nicht zu vergessen. Das sieht die BSM genauso, will aber einen anderen Ort für die Erinnerung. Nach Auswertung der Faltblätter sieht die BSM eine Pattsituation.

In der sogenannten Gedenktafelkommission, in der Vertreter aller Fraktionen der Bezirksverordnetenversammlung Friedrichshain-Kreuzberg (BVV) sitzen, wird der Fall seit mehreren Wochen diskutiert. Nach einem Kiezspaziergang vor einigen Tagen, auf dem Alternativplätze besichtigt wurden, tendiert die Kommission offenbar dazu, sich für Annemirl Bauer zu entscheiden.

Die Kommission wird in den nächsten Wochen dem Kulturausschuss des Bezirks, der letztlich entscheidet, einen Vorschlag machen. Die Vorsitzende des Ausschusses, Elvira Pichler von den Grünen, geht davon aus, dass der Platz bald Annemirl-Bauer-Platz heißen wird. „Meine Fraktion wird den Vorschlag unterstützen“, sagt sie. Auch die SPD-Fraktion steht dahinter. Bei der nächsten Sitzung im Dezember könnte die Entscheidung fallen.

SASCHA CHAIMOWICZ