Andreas Zumach über die Schweizer Debatte zu koscherem Fleisch
: Von wegen Tierschutz

In kaum einem anderen Land ist die Debatte um das Schächten bereits seit über 120 Jahren derart von antisemitischen – und seit einiger Zeit auch antiislamischen – Vorurteilen bestimmt wie in der Schweiz. Daher ist es mehr als fahrlässig, wenn der Zürcher Tagesanzeiger einen manipulativen Artikel über ein angeblich bevorstehendes „Importverbot für koscheres Fleisch“ veröffentlicht – und eine Stammtischdebatte auslöst, die erneut zur Verbreitung dieser Vorurteile dient. Nur wenige der hunderte LeserInnen-Kommentare lehnen ein Importverbot ab.

Sie verweisen zu Recht darauf, dass die in Europa übliche Massentierhaltung sowie der bei der Rinderschlachtung übliche Bolzenschuss und andere Tötungsmethoden für die Tiere ebenso qualvoll sind wie das Schächten. Und einige machen den vernünftigen Vorschlag, auch aus ökologischen und gesundheitlichen Gründen den Verzehr von Fleisch, gleich welcher Herkunft, aufzugeben oder wenigstens einzuschränken.

Doch die große Mehrheit der an der Diskussion Beteiligten beschränkt ihr vorgebliches Interesse am Tierschutz auf von Juden oder von Muslimen geschächtete Rinder und Schafe. Man lobt als Alternative „heimische Produkte“ wie etwa das berühmte Bündner Trockenfleisch. Das stammt in Wahrheit heute überwiegend aus brasilianischer und argentinischer Massentierhaltung und wird lediglich in Graubündner Klimakammern getrocknet.

Ein Importverbot wäre ein unverhältnismäßiger und weltweit wohl einmaliger Eingriff in die Religionsfreiheit. Es wird aber nicht kommen. Nicht weil „die Schweiz wahrscheinlich wieder vor den Juden kuschen wird“, wie ein Leser des Tagesanzeiger kommentiert. Sondern allein deshalb, weil ein solches Verbot gegen Regeln der Welthandelsorganisation verstoßen würde. Und mit dieser will die Schweiz, die stark vom globalen Handel abhängig ist, keinen Konflikt eingehen.

Wirtschaft + Umwelt