USA

Wem gehört die Geschichte, Neonazis oder Demokraten? Viele Menschen wollen die Statuen von Anhängern der Sklaverei nicht länger sehen

Die Grand Old Party schweigt

Republikaner Kaum ein Parteimitglied traut sich angesichts von Donald Trumps Tiraden aus der Deckung, weil sich niemand mit ihm anlegen will

Die Frage: „Wie hältst du es mit Trump?“, ist für Republikaner zum Tabu geworden

BERLIN taz | Der US-Kongress ist in der Sommerpause. Aber es wird wohl nicht daran liegen, dass aus den Reihen der Republikanischen Partei so wenig zu hören ist. Diejenigen Republikaner, die sich klar und unzweideutig gegen Donald Trumps Umgang mit den Ereignissen von Charlottesville geäußert haben, sind an einer Hand abzuzählen – und es sind die gleichen, die schon länger als seine Kritiker gelten: die Senatoren Lindsey Graham, John McCain, Marco Rubio und jüngst auch Orrin Hatch etwa. Schließlich Ohios Gouverneur John Kasich.

Auch die beiden Expräsidenten Bush haben eine Erklärung verbreitet, die Trumps Relativierung und letztlich Verteidigung der in Charlottesville aufmarschierenden Rassisten klar verurteilt. Aber die Bushs hatten auch schon Trumps Nominierungsparteitag geschwänzt, ebenso wie wie Kasich.

Aber ansonsten verbreiten die Grand Old Party zu Trumps Gleichsetzung von Neonazis und dem Protest gegen diese: Schweigen. Oder Zustimmung, meist gehüllt in Sätze wie: „Trump hat doch recht, die Antifa war auch gewalttätig.“ Die Frage: „Wie hältst du es mit Trump?“, ist für Republikaner zum Tabu geworden, und wird allenfalls hinter vorgehaltener Hand beantwortet.

Seit sich im Frühjahr letzten Jahres abzeichnete, dass Donald Trump Präsidentschaftskandidat der Republikanischen Partei werden könnte, haben sich Hunderte von Politanalysten darüber Gedanken gemacht, was das für die Zukunft der Republikaner bedeuten würde. Fast niemand glaubte damals daran, dass Trump die Wahl tatsächlich gewinnen könnte, und so ging es meist darum, ob sein Überschreiten der Grenzen menschlichen Anstands, seine Angeberei und seine Ahnungslosigkeit wohl die ganze Partei und ihre Kongresskandidaten mit in den Abgrund reißen würden.

Es kam bekanntermaßen anders. Die Republikaner kontrollieren beide Kammern des Kongresses und das Weiße Haus – eine historische Chance, die sie sich nicht entgehen lassen wollen. Aber weder sie noch die Bürde des Amtes haben Trump seither zu etwas anderem gemacht als das, was er immer war: ein politischer Scharlatan, der rhetorisch davon lebt, sich selbst zu überhöhen und mit großem Erfolg die niedersten Instinkte zu mobilisieren.

Wohl kein heute lebender US-Amerikaner kann sich an eine Präsidentschaft erinnern, deren erste sieben Monate so chao­tisch und von so vielen Skandalen gekennzeichnet gewesen wären. Trump hat kein einziges Gesetzesvorhaben durch den Kongress gebracht, aber er verschiebt alle Standards des politischen Umgangs – und dessen, was in der US-Politik mach- und denkbar ist. Seine Auftritte und Twitter-Tiraden treiben erfahrenen Politikern die Tränen in die Augen und die Schweißperlen auf die Stirn – aber sie sagen nichts.

Während der Rest der Welt sich fragt, wie lange die USA sich die Peinlichkeit dieser Präsidentschaft noch leisten wollen, bleibt die Mehrheit repu­bli­ka­nischer Politiker erstaunlich ruhig. Die Parteigänger sind verunsichert: Trump hat noch gegen jeden offenen Kritiker aus den eigenen Reihen auf Twitter sofort heftig zurückgeschossen. In der Abwägung, was für die eigenen Wiederwahlchancen besser ist, Loyalität oder Kritik, entscheiden sie sich für – nichts. Abwarten. Bis zu den Kongresswahlen im November 2018 ist es ja noch ein bisschen hin.

Worauf so viele hoffen, dass es doch im Kongress eine Mehrheit für ein Amtsenthebungsverfahren geben könnte, ist unter diesen Umständen illusorisch. Trump wird vermutlich in den nächsten Tagen oder Wochen seinen rechten Chefstrategen Steven Bannon entlassen oder zumindest umplatzieren – aber mit Stephen Miller und Sebastian Gorka sitzen noch weitere Strategen der ex­tremen Rechten im Trump-Boot.

Gut möglich, dass auch sein neuer Stabschef John Kelly nicht einmal bis Jahresende dabei ist – sein verzweifelter Blick bei Trumps desaströser Pressekonferenz am Dienstag zu den Ereignissen in Charlottesville sprach Bände. Jeder Personalwechsel in dieser Führungsebene trägt zum Bild der chaotischen Präsidentschaft bei. Genauso aber beschäftigt er die Medien wieder eine Zeit lang, gibt Trump immer wieder die Möglichkeit, sich als Chef aufzuspielen – und interessiert die meisten seiner Wähler_innen überhaupt nicht. Gut für Trump. Bernd Pickert