Sie waren schon damals die Vorhut

Surprise, Surprise Mekanik Destrüktiw Komandöh kehren nach 33 Jahren mit einem neuen Album zurück. Heute live im SO36

Eigentlich hatte man Mekanik Destrüktiw Komandöh schon in der Geschichtsmappe des Berliner Punk abgeheftet. Ziemlich weit vorne allerdings, denn da gehören sie hin. Die Band um das Szenefossil Volker Hauptvogel, die zwischen 1978 und 1984 aktiv war, darf man zu den meist­unterschätzten Bands jener Zeit zählen.

Ähnlich wie DAF (und doch anders als DAF) hat Mekanik Destrüktiw Komandöh, die unter anderem beim Hamburger Label ZickZack veröffentlichten, mit militärischer und totalitärer Ästhetik gespielt. Musikalisch hörte man ihnen zugleich die Herkunft aus Krautrock und Freebeat an. Als viele andere noch drei Akkorde runterschrammelten, waren sie dem Punk mit ihren Jazz-Elementen und Staccato-Rhythmen klanglich schnell meilenweit enteilt. Wie die Ton Steine Scherben auch kam MDK, benannt nach einem Album der französischen Progrocker Magma, aus einem Kreuzberger Post-68er-Straßen-und-Arbeiter-Theater-Kontext.

Und nun – Surprise, Surprise – ist 33 Jahre nach der letzten offiziellen Single ein neues Album von MDK erschienen. Sänger Volker Hauptvogel – der zuletzt den Roman „Fleischers Blues“ veröffentlichte – hat es sich in den vergangenen Jahren zur Aufgabe gemacht, die Band auferstehen zu lassen. Abgesehen vom einstigen Saxofonisten sind alle damaligen Bandmitglieder verstorben, von daher gleicht die Reunion einer Neugründung. Mit Gerard Rud­schuck ist allerdings ein alter Weggefährte Hauptvogels dabei – mit ihm hat er schon vor MDK-Zeiten in Krautbands gespielt.

Mit „manifestation“ knüpfen MDK da an, wo sie seinerzeit aufgehört haben. Nur: Wenn andere Bands den Sound alter Tage wiederbeleben, klingt das verkehrt und irgendwie falsch, hier bildet der idiosynkratische Postpunk gut ab, was aus dieser Ära geblieben ist.

Zum Beispiel im Stück „Nimm Dir das Leben“, dessen Refrain „Nimm Dir das Leben / das Dir zusteht“ eigentlich alle Postulate des Punk – Selbstermächtigung, Spontaneität, Vorwärtsgewandtheit – auf eine kurze Formel bringt (angenehmerweise ohne die Scheißegalmentalität, die mitunter daraus abgeleitet wurde). Und ein Song wie „Alles in den Arsch“ ist mitnichten so platt, wie man denken könnte – im Gegenteil, der Text stünde auch so manchen Dada-HipHoppern von heute gut zu Gesicht. Der Sprechgesang Hauptvogels, in bester Dilettanten-Manier vorgetragen, hat dabei mit einem quäkenden und wispernden Saxofon einen stimmigen Konterpart. Und gleich der Opener „Es geht weiter“ klingt mit der repetitiv vorgetragenen Oliver-Kahn-Prämisse „Immer weiter“ zeitlos wie so mancher Postpunk-Klassiker.

Denn musikalisch wandeln MDK noch immer nicht auf ausgetretenen Pfaden. Da nähern sich Saxofon und Gitarre in Track 1 erst mal langsam an und könnten sich nun gemeinsam in Progrock-Gefilde auf und davon machen, stattdessen folgt ein ordentlicher Wave-Stampfer. Das Zusammenspiel zwischen straightem Schlagzeug (Friedel Kniete), den freien Saxofoneskapaden von Bertram Krumm und der Gitarrenfraktion (Rud­schuck und Rumme Beck am Bass) ist toll. Mit den Texten Hauptvogels ergänzt sich das gut, selbst ein Anti-Gentrifizierungssong wie „Man wohnt nicht mehr im Kiez“ kommt nicht abgeschmackt daher. Alte Stücke wie „Worte werden zu Musik“ und „Berlin“ werden neu eingespielt und interpretiert – Avantgarde ist halt ein aus dem Militärischen kommender Begriff, denkt man so beim Marschrhythmus in „Berlin“.

Wohl auch dank des finanziellen Engagements eines gewissen Dirk Felsenheimers ist „manifestation“ super produziert, das Album wird ihnen klanglich gerecht. Ein durch und durch überzeugendes Comeback. Jens Uthoff

Mekanik Destrüktiw Komandöh: „manifestation“ (Destiny Records/Broken Silence), live: heute, 19 Uhr, „Superstars der Demokratie“-Festival der „Partei“, SO36