Letzte Saison von Dirigent Simon Rattle: Ein Beginn, nicht das Ende

Nach 16 Jahren verlässt Simon Rattle die Berliner Philharmoniker. Am Freitag beginnt seine letzte Saison: mit Haydns Schöpfung. Eine Hommage.

Simon Rattle

Ein beeindruckender Schopf: Simon Rattle Foto: dpa

Es hat etwas an Größe kaum zu Überbietendes, eine – seine – letzte Saison als Chefdirigent der Berliner Philharmoniker mit Haydns Schöpfung zu eröffnen. Jenem Werk, das die Erschaffung dieser Welt musikalisch fasst und ihr in jeder Neu­interpretation selbst wieder ein neues Antlitz gibt. Simon Rattle macht das an diesem Freitagabend zur Saisoneröffnung seines Orchesters, und hat damit in erster Linie – so hat er es selbst gesagt – eines seiner Lieblingswerke an entscheidender Stelle ins Programm genommen.

Aber natürlich geht die Wahl weit über die persönliche Beglückung hinaus. Sie kann auch als Signal aufgefasst werden: Ich gehe bald, schaffen wir gemeinsam noch etwas Neues, vollenden es aber nicht – der schöpferische Akt schafft ja nur den Raum für Ausgestaltung –, bereiten aber den Boden für das, was da kommt; für das Orchester, das in der Saison 2018/19 ohne Chef agieren muss, für die Zuhörer im Saal und an den digitalen Empfangsgeräten weltweit und auch für Rattles Nachfolger Kirill Petrenko, der erst 2019 das Orchester übernimmt.

Abschied nach 16 Jahren

Eine Ära geht zu Ende, das sagt sich so dahin, aber nach – wenn Rattle 2018 aufhört – 16 Jahren an der Spitze wird man diesen Gedanken wohl haben dürfen. Sir Simon hat das Orchester von dem in jeder Hinsicht sagenhaften Claudio Abbado übernommen. Immer noch wehte Karajansches hindurch, und dann kam dieser sehr lebendige, nicht zuletzt durch die wehende Haarpracht irgendwie heitere Maestro. Wobei ja ein Dirigent neben der Klanggestaltung ganz entscheidend durch Habitus und Gestus wirkt.

Einer, von dem seine Musiker sagten, sie würden mit ihm durchaus auch mal ein Bier trinken gehen. Was aber keineswegs dazu führte, dass dieses disziplinierte Kollektiv aus 128 musikalischen Spitzenkräften zu einem nachlässigen Spaßensemble wurde; die Zeit der Diktatorenmaestri ist ja eh vorbei.

Das Orchester insgesamt wurde in seiner Zeit jünger, was allerdings auch an auslaufenden Lebenszeitverträgen lag, der Ton variabler, die Philharmonie zugänglicher, viel weniger elitär. Man musste nicht länger den Eindruck haben, dort sei an Konzertabenden quasi das gesamte noch oder wieder vorhandene Berliner Bürgertum geschlossen anwesend.

Freuen wir uns also noch auf eine komplette Spielzeit mit Simon Rattle, und seien wir getrost: Was folgt, wird neu, wird gut, wird den schöpferischen Akt vollenden.

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