Gegen Terror und Waffenexporte

Barcelona 500.000 DemonstrantInnen verurteilten Hass und Gewalt im Namen des Islam – für Ministerpräsident Rajoy und König Felipe hatten viele aber nur Pfiffe übrig

Barcelona gegen den Terror: Freiwillige verteilten Rosen in den Stadtfarben Rot, Gelb und Weiß Foto: Manu Fernandez/ap

Aus Barcelona Ralf Hutter

Die Spaltung zwischen Madrider Staatsoberhäuptern und katalanischer Zivilgesellschaft war selten so erfahrbar wie bei der Demonstration am Samstag in Barcelona. Eine halbe Million Teilnehmer sind laut Polizei in die Innenstadt gekommen, um der Attentate in Barcelona und Cambrils zu gedenken, bei dem insgesamt 16 Menschen ums Leben gekommen waren. Doch als Präsident Mariano Rajoy und König Felipe zum Demo-Auftakt eintrafen, wurden sie breit ausgepfiffen. Später, während der Abschlusskundgebung, fielen weitere Pfiffe, sobald der König auf den Video-Leinwänden eingeblendet wurde.

Die Demonstration richtete sich also nicht nur gegen den Terror – sondern auch gegen die Nationalregierung in Madrid. Auf der Allee Passeig de Gràcia, Barcelonas teuerster Einkaufsstraße, trugen viele der Anwesenden Fahnen, die die Loslösung Kataloniens von Spanien forderten. Schilder auf Katalanisch, Spanisch und Englisch kritisierten spanische Rüstungsexporte: „Felipe, Leute, die Frieden wollen, handeln nicht mit Waffen“, stand auf einem. Staatspräsident Rajoy bekam zu lesen: „Mariano, wir wollen Frieden, keine Waffenverkäufe“.

Spanien ist einer der wichtigsten Waffenlieferanten für Saudi-Arabien. Nach dem Online-Magazin Infolibre verkauften spanische Unternehmen zwischen 2013 und 2016 Rüstungsgüter im Wert von rund 1,4 Milliarden Euro in den Scheich-Staat. In den vier Jahren davor seien es nur 46 Millionen Euro gewesen. Eine Verdreißigfachung.

Saudi-Arabien gilt als eine der Hauptfinanzquellen für terroristische Gruppen. Seit bekannt wurde, dass der spanische König zur Demonstration kommen würde – als erster König überhaupt –, kursierte in den sozialen Netzwerken ein Foto, auf dem Felipe dem saudischen König die Hand schüttelt. Viele Menschen finden es verlogen, die Opfer des jüngsten Terroranschlags in Barcelona zu betrauern und gleichzeitig Saudi-Arabien mit Waffen zu beliefern.Schon im Vorfeld der Demonstration hatte es deshalb heftige Kritik gegeben. Dass der König und fast die komplette Regierung deshalb nicht in den ersten Reihen gehen sollten, konnte den Unmut jedoch nicht besänftigen. Angeblich 170 Organisationen organisierten eine kritische Kundgebung kurz vor und in der Nähe der Demonstration.

Tote: Am Sonntag erlag eine 51-jährige Deutsche in einem Krankenhaus in Barcelona ihren Verletzungen. Damit erhöhte sich die Zahl der Toten bei den Anschlägen von Barcelona und Cambrils auf insgesamt 16.

Verletzte: Mehr als 120 Menschen wurden bei den Attentaten verletzt, fünf befinden sich noch in kritischem Zustand.

Die Gedenkveranstaltung stand ursprünglich unter dem Motto „No tinc por“ – „Ich habe keine Angst“. Hunderte Schilder zeigten auch die Botschaft: „Die beste Antwort: der Friede“. Das Fronttransparent wurde von Menschen getragen, die nach dem Attentat in Barcelona vom 17. August Hilfe geleistet hatten: PolizistInnen, Rettungskräfte, Krankenhauspersonal, aber auch TaxifahrerInnen, Restaurant- oder Hotelangestellte. Auf der Plaça de Catalunya – dort begann der mittlerweile erschossene Younes Abouyaaqoub seine Todesfahrt über die Flaniermeile Ramblas – verlasen eine Schauspielerin und eine Vertreterin einer muslimischen Organisation einen Text. Applaus erhielt auch immer wieder die Regionalpolizei Mossos d’Esquadra, die einen Großteil der zwölfköpfigen Terroristenzelle unschädlich gemacht hatte. Sogar mit Blumen übersäte Polizeiautos waren zu sehen.

Um die Sicherheit im öffentlichen Raum zu erhöhen, hatte Barcelonas Bürgermeisterin Ada Colau sechs Tage nach dem Attentat gemeinsam mit dem katalanischen Innenminister beschlossen, die Polizeipräsenz zu verstärken und mobile Hindernisse zu nutzen. Inwieweit und wo Anti-Terror-Poller sinnvoll wären, soll nun eine Studie klären.