Anbrenne darf da nix

Küchenschlacht 41 Jahre lang führte Harald Wohlfahrt die „Schwarzwaldstube“ in Baiersbronn. Doch nun hätte der beste Koch Deutschlands seinen Chef beinahe vor dem Arbeitsgericht getroffen

Harald Wohlfahrt gibt den Löffel nicht ab – aber weiter Foto: Uli Deck/dpa

PFORZHEIM taz | Baiersbronn im Schwarzwald ist für den Gourmet, was für die Fans von Richard Wagner der Grüne Hügel ist. Denn gleich drei Köche mit insgesamt acht Sternen rühren dort in ihren Töpfen. Damit hat das Schwarzwaldörtchen so viele Sterne im Guide Michelin, dem berühmtesten Reiseführer der Welt, wie London.

Der berühmteste Küchenchef unter ihnen ist Harald Wohlfahrt. 41 Jahre lang kochte er dort in der „Schwarzwaldstube“, davon 25 Jahre ununterbrochen auf Drei-Sterne-Niveau. Sein Chef, der Hotelier und Restaurantbesitzer Heiner Finkbeiner, und der Starkoch galten als das Traumduo der deutschen Gastronomie. Doch jetzt hätten sich die beiden um ein Haar vor dem Arbeitsgericht Pforzheim gestritten.

Der hoch dekorierte Küchenchef sollte nach dem Willen seines Chefs sein Lebenswerk nun seinem Nachfolger überlassen und künftig nur noch als „kulinarischer Direktor“ im Hotelbetrieb Finkbeiners wirken. Doch der 61-Jährige mit dem stets korrekt gezogenen Scheitel dachte nicht daran – und zog vor das Arbeitsgericht. Die „Küchenschlacht“ zwischen dem erfolgreichsten deutschen Koch aller Zeiten und seinem Arbeitgeber ging nach einer Pressemitteilung der Pforzheimer Kammer bundesweit durch die Presse – und lud zu allerlei kulinarischen Wortspielen ein. Wohlfahrt wolle „mit dem Topf durch die Wand“, drechselte die Süddeutsche Zeitung und es wurde spekuliert, ob und wann der Küchenchef in der Schwarzwaldstube „den Löffel abgibt“.

Das scheint tatsächlich die Kernfrage zu sein. 14 lange Jahre bereitete Wohlfahrt, der als Lehrer ganzer Kochgenerationen gilt, seinen Sous-Chef Torsten Michel auf die Nachfolge vor. Längst ist der 39-Jährige selbst ein geachteter Koch und zeichnete schon in den letzten Jahren für die Speisekarte und den Ablauf in der Küche der Schwarzwaldstube verantwortlich. Wohlfahrt kümmerte sich währenddessen um die große Linie und um die Repräsentation des Betriebs nach außen.

Selten sei in der Gastronomie ein Übergang so langfristig vorbereitet worden, behauptete gestern Finkbeiners Anwalt Frank Hahn am Rande der Verhandlung. Für Anfang Juli sei die offizielle Übergabe geplant gewesen. Wohlfahrt sollte mit einem Festmenü, gekocht von den zahlreichen erfolgreichen Schülern, geehrt und auf seinen neuen administrativen Posten verabschiedet werden.

Aber in der Schwarzwaldstube scheiterte, was auch in Diktaturen, Familienunternehmen oder anderen eher autoritären Strukturen so oft schiefgeht: der reibungsarme Generationenwechsel. Neben allerlei psychologischen Barrieren lag das wohl auch daran, dass der Küchenchef und die Besitzerfamilie zwar ausführlich über den Übergang in der Schwarzwaldstube gesprochen – aber nichts davon schriftlich fixiert hatten.

Am Ende wollte sich Wohlfahrt nicht an die Absprachen erinnern und pochte auf seinen bis zur Pensionsgrenze gültigen Vertrag als Küchenchef. Gleichzeitig hatte aber auch sein designierter Nachfolger seit Frühjahr 2016 einen solchen. Die sinnbildliche Auswirkung vieler Köche auf den zu kochenden Brei ist bekannt. Deshalb entschied sich Restaurantbesitzer Finkbeiner offenbar, das Kompetenzkuddelmuddel kraft seiner Autorität zu lösen. Er verbot seinem berühmten und langjährigen Sternekoch, künftig die Küche der Schwarzwaldstube zu betreten.

Dagegen wollte Harald Wohlfahrt nun mit einer einstweiligen Verfügung vorgehen. Der gerichtliche Showdown blieb am Dienstag dann aber aus. Wohlfahrt und sein langjähriger Arbeitgeber hatten sich offenbar in letzter Minute außergerichtlich geeinigt. Für den Spitzenkoch war nicht einmal mehr dessen Anwältin erschienen. Dem Vorsitzenden Richter Hans Weischedel blieb nur, die bereits erfolgte Einigung zu Protokoll zu nehmen.

Wie so oft scheiterte auch in Baiersbronn der reibungsarme Generationenwechsel

Worin diese Einigung besteht, wurde allerdings nicht bekannt. Klar scheint nur, was Finkbeiners Anwalt erklärt: „Herr Wohlfahrt wird nicht zurückkehren, und er wird auch nicht weiter für das Haus tätig sein.“ Im Zuschauerraum und bei der zahlreich angereisten Presse sorgte der ausgefallene Schlagabtausch für unverhohlene Enttäuschung.

Der Pforzheimer Richter Hans Weischedel hatte dafür allerdings nur bedingt Verständnis. Aufgabe des Gerichts sei es nicht, das Publikum zu unterhalten, sondern Frieden zu schaffen, erklärte er. In einem Werbefilm aus besseren Zeiten, der noch auf der Webseite der Stadt Baiersbronn zu finden ist, sagt Harald Wohlfahrt: „Anbrenne darf da nix.“

Benno Stieber