Volker Beck muss auf Europa warten

URHEBERRECHT Der Grünen-Abgeordnete will verhindern, dass „Spiegel Online“ ein altes Manuskript zur Pädophilie-Debatte ohne Distanzierung veröffentlicht. Jetzt geht der Fall an den EuGH

Ob Volker Beck den „Streisand-Effekt“ kennt? Foto: Angelika Kohlmeier

KARLSRUHE taz | Über den Rechtsstreit zwischen dem Grünen-Abgeordneten Volker Beck und Spiegel Online muss nun auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) entscheiden. Der Fall wirft schwierige urheberrechtliche Fragen auf, die der Bundesgerichtshof an diesem Donnerstag dem EuGH vorlegte.

Konkret geht es um einen Text, den Beck 1988 für den Sammelband „Der pädosexuelle Komplex“ geschrieben hat. Darin forderte er die teilweise Entkriminalisierung von gewaltfreiem Sex mit Kindern.

Beck hat sich längst von dem Text distanziert. Allerdings hatte er zu seiner Verteidigung auch behauptet, der Herausgeber des Sammelbandes habe den Text gegen seinen Willen nachträglich im Sinn verfälscht. Als 2013 das Originalmanuskript auftauchte, stellte Spiegel Online fest, dass Becks zentrale Aussage keineswegs verfälscht worden war. Als Beleg verlinkte das Medium sowohl auf das Originalmanuskript als auch auf die veröffentlichte Fassung von Becks Aufsatz.

Gegen diese Verlinkung wehrte sich Beck unter Verweis auf sein Urheberrecht. Er habe das Manuskript inzwischen auf seiner eigenen Homepage veröffentlicht – allerdings auf jeder Seite mit der Anmerkung versehen: „ICH DISTANZIERE MICH VON DIESEM BEITRAG. VOLKER BECK.“ Einer anderen Art der Veröffentlichung stimme er nicht zu. In den unteren Instanzen hatte Beck mit dieser Argumentation Erfolg. Spiegel Online ging aber in Revision zum BGH.

Der BGH sah sich nun außerstande, den Fall sofort zu entscheiden. Der Rechtsstreit werfe grundlegende urheberrechtliche Fragen auf, die zunächst der EuGH klären müsse, da das Urheberrecht EU-weit harmonisiert ist. So ist offen, ob Spiegel Online sich hier auf das Zitatrecht berufen kann. Denn eigentlich werden beim Zitat nur einzelne Teile des zitierten Texts in einen neuen Text aufgenommen, während Spiegel Online das gesamten Manuskript von Beck verlinkt hatte.

„Damit ist der Text an einer anderen Stelle frei aufrufbar, auch ohne Verbindung zum Artikel von Spiegel Online“, gab der Vorsitzende Richter Wolfgang Büscher zu bedenken.

Außerdem muss der EuGH entscheiden, ob Spiegel Online sich auf das Recht der „tagesaktuellen Berichterstattung“ berufen konnte. „Gilt diese Einschränkung des Urheberrechts auch dann, wenn es zeitlich möglich gewesen wäre, die Zustimmung des Urhebers einzuholen?“, fragte Richter Büscher.

In den unteren ­Instanzen hatte Beck mit seiner Argumentation Erfolg

Der Bundesgerichtshof hatte bereits im Juni zwei wichtige Urheberrechtsfälle dem EuGH vorgelegt. Dabei ging es um die Zulässigkeit von HipHop-Samples (Kraftwerk gegen Moses Pelham) und den Urheberschutz von Regierungsberichten („Afghanistan Papers“). In allen drei Fällen wird der EuGH wohl erst Ende 2018 entscheiden.

Christian Rath