Schlechtes Gewissen immer dabei

Helfen III Laila Oudray arbeitet aus Zeitgründen nicht mehr direkt mit Geflüchteten zusammen, sondern in einer Kleiderkammer

Im Sommer 2015 schloss ich mich in Bonn einer Flüchtlingsorganisation an – motiviert und naiv. Gemeinsam mit anderen Mitgliedern der Initiative rief ich einen regelmäßigen Kochabend ins Leben. Geflüchtete und Einwohner*innen sollten gemeinsam kochen.

Schnell fanden wir eine Küche, und der Termin für den ersten Kochabend stand fest. Doch als der Tag kam, zeichnete sich schon das Problem ab, das in den nächsten Wochen und Monaten noch schlimmer werden sollte. Am Nachmittag half ich mit beim Einkaufen und Aufbau, mitkochen konnte ich dann aber nicht: Ich musste zu einem Interviewtermin.

Ich kam zeitlich ins Strudeln

Zwischen Arbeit, Uni und Privatleben versuchte ich mein Engagement zu integrieren. Das funktionierte, wenn auch mit viel Stress. Doch alles änderte sich, als der Abgabetermin meiner Masterarbeit immer näher rückte. Ich kam zeitlich ins Strudeln und half immer seltener. Ich zog mich zurück. Das schlechte Gewissen war dabei mein ständiger Begleiter.

Vergangenes Jahr bin ich dann wegen des Jobs nach Berlin gezogen. Auch hier ließ mich der Gedanke an die Flüchtlingshilfe nicht los. Doch ich hatte Angst, dass sich das ganze Debakel wiederholen würde. Oft bin ich auf Dienstreisen oder für eine Recherche mehrere Tage nicht in Berlin. Mittlerweile arbeite ich deshalb nicht mehr direkt mit Geflüchteten zusammen, sondern in einer Kleiderkammer. Ich räume Spenden ein, sortiere die Kleidung und mache Ordnung.

Damit habe ich die richtige Entscheidung getroffen. Immer wieder kommt es vor, dass ich wegen der Arbeit oder aus familiären Gründen mehrere Wochen nicht in die Kammer kommen kann. Gott sei Dank sind dabei dann Geflüchtete aber nur indirekt betroffen.

Flüchtlingshilfe erfordert Selbstreflexion. Man muss sein eigenes Arbeitspensum und Zeitmanagement im Blick haben, bevor man eine Aufgabe übernimmt. Es ist keine Schande, zu sagen: „Ich schaffe es zeitlich nicht.“ Niemandem ist geholfen, wenn man Menschen ständig vertrösten muss. Außerdem gibt es viele Aufgaben im Hintergrund, die sich besser in einen vollgepackten Terminkalender integrieren lassen.

Laila Oudray

Die Autorin (27) schreibt für tazzwei und tazplan, hat Besserung gelobt und mittlerweile ein Zeitmanagementbuch gekauft.