Max Nölke hat kein Problem mit dem Gedicht an der Fassade der Alice-Salomon-Hochschule
: Ist das Kunst oder kann das weg?

Darf Kunst alles? Wie weit kann sie gehen? Und wer bestimmt das überhaupt? Die Alice-Salomon-Hochschule (ASH) in Berlin-Hellersdorf sieht sich diesen Schwierigkeiten momentan gegenüberstehen. Denn an ihrer Fassade südlicher Ausrichtung befindet sich ein Gedicht von Eugen Gomringer, das zum Streitpunkt geworden ist. Seit sechs Jahren steht es an der Wand, nun soll es weg, sagt der Allgemeine Studienausschuss Berlin (Asta).

2011 wurde der bolivianisch-schweizerische Schriftsteller Gomringer von der Alice-Salomon-Hochschule mit dem Poetik-Preis ausgezeichnet und dankte mit acht Versen seines spanischen Gedichtes „avenidas“, welches seitdem das Hochschulgebäude ziert. Übersetzt liest es sich so: „Alleen. Alleen und Blumen. Blumen. Blumen und Frauen. Alleen. Alleen und Frauen. Alleen und Blumen und Frauen. Und ein Bewunderer.“

Und ebendieses Frauenbewundern missfällt. Der objektivierende Blick auf die Weiblichkeit geht halt nicht, meint der Asta. Lang und ausführlich in einem offenen Brief hat die Studienvertretung ihre Haltung dargestellt, wonach Gomringer in seinem Gedicht eine „patriarchale Kunsttradition reproduziert“, in der es scheine, als würden Frauen degradiert werden, dass sie nur die Musen der kunstschaffenden Männer seien. Und leider immer und immer wieder bewundert würden aufgrund ihres „Frauseins“.

Quatsch, meinen andere. Uwe Bettig, der Rektor der Hochschule, nennt das Gedicht „ein gelungenes Kunstwerk“. Gleichzeitig ist ihm die Subjektivität ästhetischen und künstlerischen Empfindens klar, denn „die Interpretation des Gedichts obliegt jeder Betrachterin und jedem Betrachter selbst“.Daher will die Alice-Salomon-Hochschule der Forderung des Asta folgen und die Fassade neu gestalten. „Wenn sich Studierende diskriminiert fühlen, nehmen wir das ernst“, meint Bettig. Dazu können alle Hochschulangehörigen bis zum 15. Oktober Vorschläge einreichen. Es wird dann eine interne Online-Abstimmung geben, die darüber entscheidet, ob die paar spanischen Worte an der Fassade wegkommen, ausgetauscht, verändert oder gar erweitert und neu kontextuiert werden. Und „alle Vorschläge“, betont Bettig, „werden dabei in Betracht gezogen.“

Man darf gespannt sein, vielleicht ist ja etwas Bewundernswertes dabei. Gegebenenfalls könnte man ja einfach „Frauen“ durch „Männer“ ersetzen, also hombres statt mujeres. Dann ginge es auf einmal ums Männerbewundern.