heute in Bremen
: „Unbewusste Traditionen“

Lesung Katrin Wetterau über Kontinuitäten von NS-Tätern zu ihren 1968 rebellierenden Kindern

Katrin Wetterau

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Jahrgang 1945, ist Lehrerin im Hochschuldienst. Sie studierte Germanistik und Geschichte in Kiel und Berlin. Die 68er-Revolte erlebte sie als beteiligte Zeitzeugin an der Freien Universität.

taz: Frau Wetterau, warum erinnern Sie an die alten 68er-Rebellen?

Karin Wetterau: Es gab für mich einen aktuellen Anlass, nämlich den neuen Rechtsradikalismus ehemals linker studentischer Rebellen: Bernd Rabehl, Reinhold Oberlercher, Horst Mahler und andere. Mich hat interessiert, wie solche Konversionen zustande kommen. Die Revolte richtete sich doch gegen das Schweigen in den Familien über die eigene Beteiligung an der Nazi-Geschichte. Wurden da doch unbewusst Familientraditionen weitergegeben? Oder stimmt das Rechts-Links-Schema nicht? Götz Aly und Elmar Kraushaar haben ja der Studentenbewegung auch rechte Tendenzen attestiert. Das ist irritierend. Deswegen habe ich mit den älteren Aktivisten Interviews geführt.

Götz Aly behauptet, dass mancher Student aus Schwaben in Berlin gegen den weit entfernten Vietnamkrieg protestiert hat und gegen die Amerikaner, die die Väter besiegt haben, um damit der Auseinandersetzung mit den NS-Vätern zuhause aus dem Wege zu gehen.

Diese Frage wird auch thematisiert. Für diese zweite Generation ist es natürlich außerordentlich schwierig gewesen, sich mit dem Zivilisationsbruch, den die Elterngeneration zu verantworten hatte, auseinanderzusetzen. Der Bremer Eike Hemmer thematisiert zum Beispiel, wieweit das politisches Engagement auch mit Verdrängung zu tun hat. Daher der Untertitel meines Buches: „Familienroman“.

Treffen sich Linke und Rechtsradikale heute in ihrer Anhänglichkeit zu Putin?

Im Rückblick kann man sagen, dass die heutige Rechte auf ein Reservoir von Feindbildern zurückgreift, die es damals durchaus auch innerhalb der Linken gegeben hat. Aus dem, wogegen jemand ist, kann man aber nicht schließen, wofür derselbe ist.

Ist Anti-Amerikanismus, also die reflexhafte Verdammung von allem, was aus den USA kommt, rechts oder links?

Das kann sowohl linksradikal wie auch rechtsradikal sein, es kommt auf den Kontext an. Bernd Rabehl etwa vertritt die These, die Migrationsbewegung sei ein Ergebnis der amerikanischen Politik. Die USA würden uns bewusst die Migranten auf den Hals hetzen. Das hat mit dem Antiimperialismus von 1968 nicht das Geringste zu tun. Interview KAWE

„Täterkinder und Rebellen“ mit der Autorin Karin Wetterau, Eike Hemmer und Susanne Schunter-Kleemanm: 19 Uhr, Stadtbibliothek