Liebe hat für Priester hohen Preis

Expriester aus aller Welt diskutieren in Wiesbaden über die Folgen des Zölibatbruchs

BERLIN taz ■ Er ist talentiert, beliebt, geachtet. Doch seinen Posten muss er aufgeben. Seine Studenten darf er nicht mehr unterweisen. Michael Bongardt war Professor für Katholische Theologie an der Freien Uni Berlin. Bis ihm die Kirche die Lehrbefugnis entzog – weil er ein einstiger Priester und verheiratet ist.

Ein gängiger Fall, wissen Betroffene. Seit gestern treffen sich in Wiesbaden katholische Expriester aus aller Welt. Vier Tage lang wollen sie debattieren über jenen Zwang, der sie den Job kostete und oft auch die materielle Existenz: den Zölibat.

Allein in Deutschland, schätzen die Veranstalter, mussten seit Mitte der Sechzigerjahre 3.000 bis 4.000 Priester um der Liebe willen ihren Beruf aufgeben. „Eine riesige Vergeudung“, sagt Anne Egbert, selbst Gattin eines Expriesters und Beraterin bei der „Vereinigung katholischer Priester und ihrer Frauen“. Denn nur die Hälfte der deutschen Pfarrereien konnte 2003 noch mit einem eigenen Priester besetzt werden. Zu wenige Männer wollen sich eine Bürde auferlegen, deren Sinn kaum mehr anerkannt ist: In Umfragen, so Egbert, hätten sich 80 bis 90 Prozent der Katholiken für das Recht eines Priesters auf ein Liebesleben ausgesprochen.

Noch aber droht jenen der soziale Abstieg, die sich auf dem Standesamt zu Frau und Kind bekennen. Priester zahlen nicht in die Arbeitslosenversicherung ein. So fehlt ihnen der finanzielle Rückhalt. „Viele warten mit der Heirat bis kurz vor der Rente“, sagt Egbert. Denn dann sind die Geldnöte lösbar. Verlieren sie ihren Beruf, so ist das Bistum verpflichtet, nachträglich für sie in die gesetzliche Rentenversicherung einzuzahlen.

Problematischer ist der Ausstieg für junge Priester. Noch in den Achtzigern kamen sie recht gut in Beratungsstellen oder Sozialarbeit unter. Heute sind hier die Jobs knapp. Und will ein Expastor als Religionslehrer arbeiten, muss er zunächst die Priesterweihe aufheben lassen – eine Prozedur in Rom, die oft Jahre dauert. Besser steht da, wer wie Professor Bongardt Beamter ist: Die Uni darf ihn nicht entlassen. Sie kann ihn nur versetzen.

Bei ihrem Treffen setzten die Expriester auf den Impulsgeber Papst. Ihre Hoffnung nährt ein einzelner Satz: 2004 soll Joseph Ratzinger US-Bischöfe gefragt haben, was sie von der „Wiedereinführung der Tradition verheirateter Priester“ hielten. Schließlich hat die Kirche den Zwang zur Ehelosigkeit erst im 12. Jahrhundert eingeführt. Doch dass Benedikt XVI. den Zölibat tatsächlich lockert, bezweifeln selbst Optimisten. Das Treffen liierter Priester – noch dient es vor allem dem Leidensaustausch.

COSIMA SCHMITT