„Ihr wollt es nicht, aber es ist notwendig!“

Erinnern Im vierten Teil der taz-Serie über Denk- und Mahnmäler spricht der Kunsthistoriker Arie Hartog über zwei Mahnmale, die bislang noch nicht entstanden sind: das Mal für die Beteiligung von Kühne & Nagel an der „Arisierung“ und das Mal für Laya-Alama Condé

So soll das „Arisierungs“-Mahnmal aussehen Foto: Bild:Angie Oettingshausen

taz: Herr Hartog, wie viele von zivilgesellschaftlichen Initiativen getragene Denkmalsvorhaben hängen in Bremen eigentlich momentan in der Behördenschleife fest?

Arie Hartog: Prominent sind zumindest zwei: erstens das Denkmal für die Beteiligung von Kühne & Nagel an der „Arisierung“ und zweitens das Mal für Laya-Alama Condé, ein Todesopfer der polizeilichen Brechmittelvergabe. Das Besondere an diesen beiden Fällen ist, dass es gelungen ist, eine Öffentlichkeit aufzubauen. Die Politik sah sich schließlich so großem Druck ausgesetzt, dass sie reagieren musste.

Was ist der aktuelle Stand der Entwicklung?

Der Standort für das „Arisierungs“-Mahnmal liegt nun, anders als geplant, knapp 200 Meter vom Firmensitz entfernt an der Schlachte. Das wurde im April bei der Sitzung des Beirats Mitte auf Drängen der SPD beschlossen. Jetzt muss die Kompatibilität des Gewinnerentwurfs von Angie Oettingshausen mit dem neuen Platz geprüft werden: ein gläserner Schacht, gefüllt mit Formen, die an das geraubte Eigentum der Jüdinnen und Juden erinnern sollen, einsehbar von oben und an der Uferseite von der Seite. Ihr Mahnmal war ganz konkret für den Platz vor dem Firmensitz entwickelt worden und steht nun gewissermaßen wieder zur Disposition. Das Gute an dem Entwurf von Oettingshausen ist, dass er recht direkt und voraussetzungslos wirkt, wobei ich natürlich befangen bin, da ich Teil der Jury war.

Wie verhält es sich beim Denkmal für Laya-Alama Condé?

Der Tod des Mannes ist ja inzwischen mehr als zehn Jahre her. Eine Initiative organisiert seitdem jährlich zum Todestag eine Demonstration und hat auch ein Denkmal ins Gespräch gebracht. Es gibt auch eine Webseite, die den Prozess dokumentiert und über den Stand der Debatte auf dem Laufenden hält. Das Interessante hier ist, dass dieses Engagement Einfluss auf die Stimmung zu der Thematik in der Stadt genommen hat. Der Vorfall wurde nicht vergessen und die Haltungen haben sich geändert. Das geschieht nicht ohne Druck und für diesen Druck ist die Idee des Denkmals ein Symbol. So bedauert der damalige Bürgermeister und Justizsenator Henning Scherf mittlerweile die Brechmittelvergabepraxis.

Zum Abschluss der jährlichen Demos wird stets ein provisorisches Denkmal errichtet. Zunächst waren es Kübel mit Kreuzen und Blumen an der Sielwall-Kreuzung, wo Condé verhaftet wurde, zuletzt stand in der Weberstraße im Ostertor eine Hörstation …

Das ist eine grandiose Haltung: Ihr wollt es nicht, aber es ist notwendig!

Es gibt aber auch bereits einen Entwurf für ein dauerhaftes Denkmal.

Genau, von den beiden Bremer Künstlerinnen Doris Weinberger und Jule Körperich. Es ist eine etwas komplizierte Konzeption. Es soll in die Wallanlagen, vier Stühle, die für die afrikanische Community stehen sollen, einer davon ist umgefallen. Den inhaltlichen Rahmen bildet eine Soundinstallation. Diese Audiospuren sind dokumentarisch. Das ist notwendig, weil das Mal mit einer sehr komplizierten gesellschaftlichen Situation umzugehen hat. Denn wovon ist Condé Opfer geworden? Zunächst von einer unmenschlichen polizeilichen Praxis. Er ist aber auch sehr viel grundsätzlicher Opfer einer verfehlten Asylpolitik geworden, die Menschen vom legalen Gelderwerb abschneidet. Daneben wurde die Praxis der Brechmittelvergabe fast ausschließlich an Afrikanern angewandt. Da kann man sich schon fragen, ob man es hier vielleicht mit Racial Profiling zu tun hatte.

Warum ist dieses Denkmal noch nicht realisiert?

Arie Hartog

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geb. 1963, hat über „Moderne deutsche figürliche Bildhauerei“ promoviert und ist seit 2009 ist Direktor des Gerhard-Marcks-Hauses.

Das ist eine gute Frage, denn auch dieses Denkmal ist offensichtlich bereits finanziert. Es hängt irgendwo zwischen den Behörden fest. Aktuell ist es wohl so, dass der zuständige Beirat Mitte es seit drei Jahren nicht schafft, eine Entscheidung hierzu auf die Tagesordnung zu setzen.

In anderen Städten gehen Initiativen mit ihren Denkmalswünschen anders vor: In Hamburg gab es ja ebenfalls einen bekannten Fall von Brechmitteltod. Der Mann hieß Achidi John, heute ist der Platz am Schulterblatt vor der Roten Flora nach ihm benannt, zwar inoffiziell, aber gültig und sichtbar.

Eine solche Form autonomer Gegenöffentlichkeit gibt es in Bremen nicht. Stattdessen gibt es einen behördlichen Apparat, der solche Initiativen kapern und sogar zerreiben kann – wenn sie nicht über ausreichend Ausdauer verfügen. Aber die Situation ist nicht hoffnungslos, da beide Initiativen Zähigkeit beweisen.

Interview Radek Krolczyk