KRIEG DER MASCHINEN
: Strategen am Laptop

Sie stiegen am Hauptbahnhof zu. Tarnfarben, Knobelbecher, das volle Programm. Überfallartig hatten sie den Großraumwagen geentert, ihr Gepäck hingeschmissen, sich auf die Sitze fallen lassen. Bundeswehrsoldaten!

Eben noch war ich von der Möglichkeit einer stillen Zugfahrt ausgegangen. In dem Jahrhundertroman, der aufgeschlagen vor mir lag, verharrte mein zitternder Zeigefinger noch eine Sekunde auf der verstörenden Formulierung: „Im Krieg der Maschinen ist nur der maschinelle Mensch, vorübergehend, gültig.“

Zu meiner Überraschung öffnete jetzt niemand eine Bierbüchse, keiner erzählte Nuttenwitze. Vier Mann mit Dolph-Lundgren-Haarschnitt steckten sich kleine, verkabelte Knöpfe in die Ohren und klappten wie auf Kommando ihre Breitwandlaptops auf. Den Rechner vor mir zierte ein rosa Totenkopf.

„Los, Männer, bleibt bei mir, wir nehmen das Terrain von rechts!“, murmelte einer der jungen Rekruten. Die waren tatsächlich schon online und spielten gemeinsam „Doom“ – oder ein irgendein anderes dieser Ego-Shooter-Trainingsprogramme. „Okay, Jungs, jetzt alle vor und den Kopf unten behalten!“, flüsterte der kleine Typ mit der Basecap in Olivgrün. Diese jungen Männer dachten strategisch. Sie lösten irgendein militärisches Problem und trieben ihren persönlichen Body Count in die Höhe. Ein kleines gemeinsames Geschicklichkeitsspiel – mehr nicht. „Achtung, Kettenfahrzeug von links“, knurrte der neben mir. Ganz vorsichtig klappte ich mein Buch zu. Das war er wohl: der Kampf als inneres Erlebnis.

JAN SÜSELBECK