Marie Antoinettes linke Brust, Marteria gepampert mit Preisen, mit 50 im Festsaal
: Vom Suchen und Finden des Umme-Champagners

Ausgehen und Rumstehen

von Jenni Zylka

In einer „Mit Schirm, Charme und Melone“-Folge müssen John Steed und Emma Peel an zwei verschiedenen Orten observieren. Sie verständigen sich über hübsche Früh-60er-Walkie-Talkies, und als Emma Peel aus ihrem Empfangsgerät neben Steeds Stimme plötzlich Klirren, einen Knall und Prickeln hört, weiß sie, was läuft: Der alte Connaisseur hat sich eine Spezialkiste mit einer Flasche gekühltem Champagner und einer Champagnerschale mitgebracht, um sich bei der Geheimagententätigkeit die Zeit zu vertreiben.

Der Sinn einer solchen „Champagne Travel Bar“ hat mich natürlich sofort überzeugt, doch die, die ich jetzt nach langer Suche in einem britischen Hardwarestore entdeckt habe, kostet verdammte 2.395 Pfund – da tröstet nicht mal, dass man sie sich wahlweise in den Farben „Chestnut“, „Havana“, „London Tan“ und „Jaguar Green“ liefern lassen kann. Aus Frust warf ich mich am Donnerstag geschniegelt und gespornt in die „Fashion’s Night Out“, denn wie jedes Kind weiß, wird man bei der opulenten Werbeveranstaltung förmlich mit Umme-Champagner beworfen, man muss nur selbstbewusst auftreten. Ich ließ mir also von einer freundlichen Juwelierfachverkäuferin probehalber verschiedene dicke Goldringe mit kleinen Diamanten drin an den Wurstfinger stecken, denn zu jeder Frage, die ich stellte („Sind das auch Blutdiamanten?“), gab es ein neues Glas. „Wussten Sie, dass Champagnerschalen nach der linken Brust von Marie-Antoinette geformt sind“, fragte ich beim vierten Ring und Glas, und als das Juwelierfräulein keck zurückfragte: „Und wonach sind die Flöten geformt?“, musste ich aus verschiedenen Gründen so kichern, dass ich mich selbst friedlich herauskomplimentierte, damit sie nicht ihren Job verliert.

Freitag dann zum zweiten Mal der „Preis für Popkultur“, aber ich weiß auch nicht, eigentlich war es ja – bis auf die relative Vorhersehbarkeit der Gewinner*nnen und die zu langen Auftritte der Beteiligten – ganz schön, wenn nur die jungen Männer nicht alle so sauer wirken würden! „Zugezogen Maskulin“ zum Beispiel, die ich später noch aufgeräumt und bester Laune die Aftershow genießen sah, waren kurz vorher zur Präsentation ihres neuen Songs „Alle gegen alle“ wie wütende Alpha-Schimpansen auf die Bühne gesprungen, wo sie bedrohlich mit den Armen schlenkerten und das begeisterte Publikum anbellten. Der Song ist natürlich trotzdem gut. Vielleicht hat man auch einfach einen gewissen Ruf zu verteidigen, wenn man sich schon „Testo“ nennt. Da kann man eben nicht mit „Alle FÜR alle“ anfangen. Ansonsten wurde noch der freundliche Marteria mit Preisen gepampert und sah dann von der Bühne aus zu, wie die bärtigen Homies am VIP-Tisch angesichts Marterias kurzen, prägnanten Dankesworten „Einfach nur geile Mucke machen!“ bedächtig mit den Basecaps nickten: Du sagst es, wie es ist, Bruder.

Samstag streifte ich die Anti-Clubsterben-Demo, was einen Besuch bei der Soul Explosion im neuen Festsaal Kreuzberg am Abend nicht besser machte: Ist dieser Club nicht nur an diesem Ort, weil ein anderer, nämlich das tapfere White Trash, in diesem Fall unfriedlich herauskomplimentiert wurde?! Vielleicht kann man das dem Festsaal, der sonst ja auch home­less wäre, nicht vorwerfen, aber es ist nicht schön, dass nicht beide Clubs überleben konnten. Spät in der Nacht ließ ich das Tanzbein darum lieber sanft ausschwingen und half tatkräftig dabei mit, dass eine Freundin sich am Morgen nach ihrem 50. Geburtstag auch dementsprechend fühlen würde: „Thrifty fifty“ statt „nifty fifty“! Dazu muss man schließlich stehen.