„Mischa“ ist wieder da

Ukraine Trotz Einreiseverbots gelingt dem geschassten Georgier Michail Saakaschwili die Rückkehr. Er will die Opposition vereinen. Vielleicht aber wird er von ihr gefressen

Michail Saakaschwili (im karierten Jackett) nach dem Grenzübertritt. Neben ihm: Julia Timoschenko Foto: reuters

Aus Charkiw Bernhard Clasen

Seit Wochen hatte der ehemalige Gouverneur von Odessa und frühere Präsident Georgiens, Michail Saakaschwili, für den 10. September seine Einreise in die Ukraine angekündigt. Ohne gültige Papiere – hatte ihm doch sein ehemaliger Freund und ukrainischer Präsident Petro Poroschenko Ende Juli die ukrainische Staatsbürgerschaft entzogen. Doch am Ende schaffte es der umtriebige Georgier am Sonntag doch, seinen ehemaligen Gönner auszutricksen.

Zunächst wollte Saakaschwili im Auto aus Polen in die Ukraine fahren. Dann stieg er in einen Bus voller Journalisten. Unterwegs wechselte er das Transportmittel und stieg kurzerhand in einen wartenden Intercityzug. Als dieser plötzlich nicht mehr weiterfuhr, weil es Poroschenko aus dem fernen Kiew irgendwie geschafft hatte, den Zug auf polnischem Territorium zum Stillstand zu bringen, ging es wieder im Bus weiter. Am Grenzkontrollpunkt musste Saakaschwili feststellen, dass dieser von Sicherheitskräften wegen einer angeblichen Bombendrohung hermetisch abgeriegelt worden war. Die Reise schien zu Ende.

Doch dann kam es zu einem Handgemenge. Mehrere hundert Saakaschwili-Fans risse ihn einfach mit, hinüber in die Ukraine. 17 Polizisten und Grenzschützer wurden in dem Handgemenge verletzt, von den Demonstranten kein einziger: Die Sicherheitskräfte hatten sich eisern an den Befehl gehalten, keine Gewalt gegen die Demonstranten anzuwenden.

Sofort machte sich Saakaschwili auf den Weg ins westukrainische Lwiw, wo Bürgermeister Andrij Sadowyj auf ihn wartete. Sadowyi führt die Oppositionspartei Samopomisch. Durch seine triumphale Rückkehr in die Ukraine ist Michail Saakaschwili der Held der Woche. Er sei gekommen, um die demokratischen Kräfte „zu konsolidieren“, erklärte er – also, um sich an die Spitze der ukrainischen Opposition zu stellen.

Schon andere wollten ihr Heldenimage in politisches Kapital ummünzen

Ab jetzt wird es für Saakaschwili kompliziert. Auch andere ukrainische Politiker wie der Boxer Vitali Klitschko oder die lange in Russland inhaftierte Pilotin Nadija Savchenko haben in der Vergangenheit gehofft, ihr Heldenimage in politisches Kapital ummünzen zu können. Weit haben sie es nicht gebracht. Sehr herzlich hatte Oppositionspolitikerin Julia Timoschenko im Mai 2016 Fliegerin Nadija Savchenko am Flughafen abgeholt – von ihr spricht heute keiner mehr. Auch mit „Mischa“ könnte Timoschenko ein ähnliches Spiel treiben. Bei seiner Rückkehr stand sie immer neben ihm im Scheinwerferlicht.

Nicht Saakaschwili, sondern Timoschenko werden derzeit die besten Chancen eingeräumt, dereinst Präsident Poroschenko zu beerben. Denn wirklich erfolgreich ist die Saakaschwili-Partei Bewegung neuer Kräfte nicht. Mit gerade einmal 1,8 % in den Meinungsumfragen dümpelt sie am unteren Ende der Beliebtheitsskala vor sich hin. Und Saakaschwili muss sich mit Problemen herumschlagen, bei deren Bewältigung er kaum mit der Unterstützung der machthungrigen Julia Timoschenko wird rechnen können. So ist Saakaschwili zwar Vorsitzender seiner Partei – doch nach ukrainischem Recht können nur ukrainische Staatsbürger ukrainische Parteivorsitzende sein. „Mischa“ wird also erst mal für die erneute Wiedererlangung der ukrainischen Staatsbürgerschaft kämpfen müssen.

Das wird nicht einfach. Generalstaatsanwalt Jurij Luzenko hat verlauten lassen, dass Saakaschwili die ukrainische Staatlichkeit zerstöre und derartiges ziehe harte Strafen nach sich. Auch Präsident Poroschenko äußerte sich am Montagnachmittag: Wer die ukrainische Staatsgrenze verletze, werde bestraft. Saakaschwilis Anwalt Markijan Galabala teilte schon mal mit, sein Mandant sei auf eine Verhaftung vorbereitet.