„Als Satiriker sage ich, dass der Witz einen Bart hat“

Türkei Im Prozess gegen 17 Mitarbeiter der Zeitung „Cumhuriyet“ werden die Zeugen der Anklage vernommen. Sie sagen nicht im Sinne der Anklage aus

ISTANBUL/BERLIN taz | In der zweiten Anhörung des Verfahrens gegen Journalisten, Angestellte und Anwälte der türkischen Zeitung Cumhuriyetsind am Montag ehemalige und aktuelle Mitarbeiter angehört worden, die vor Prozessbeginn gegen ihre Kollegen ausgesagt hatten. Die Zeugen behaupteten, dass ihre Aussagen aus dem Kontext gerissen worden seien und sie in keiner Weise beabsichtigt hätten, Cumhuriyetmit Terrorismus in Verbindung zu bringen.

Musa Kart, Comiczeichner der Cumhuriyet,der nach der ersten Anhörung im Juli freigelassen wurde, sagte der taz: „Dieser Prozess ist der Versuch, Cumhuriyet in der Öffentlichkeit zu verleumden. Als Satiriker sage ich, dass der Witz einen Bart hat und ich verlange, dass die Comedy sofort beendet wird.“

İbrahim Yıldız, ehemaliger Chefredakteur, bestritt, je gesagt zu haben, dass das Blatt schlecht geleitet und heruntergewirtschaftet würde. Nachrichtenchef Aykut Küçükkaya sagte, der Staatsanwalt habe ihn über 100 Fragen gefragt, aber nur die Teile seiner Aussage benutzt, die er als Beweis gegen Cumhuriyet benutzen wollte.

Der seit 316 Tagen inhaftierte Autor Kadri Gürsel wehrte sich gegen die Anschuldigung, er habe „Kontakt mit Gülenisten über die MessengerApp ByLock“. Mutmaßliche Gülenisten, die ByLock benutzen, hätten ihn lange vor seiner Arbeit bei der Cumhuriyet versucht zu kontaktieren. Er habe ihnen nie geantwortet, sagte er aus und fuhr fort: „Ich weiß, ich bin nicht die einzige Person, die diese Leute belästigten. Die Hälfte der ByLock-Nutzer, die mich kontaktierten, sind in Freiheit, aber ich bin inhaftiert. Der Grund dafür ist, dass ich ein unabhängiger und kritischer Journalist. Weil ich die Menschenrechte und die Meinungsfreiheit verteidige und für eine friedliche Außenpolitik eintrete, die Ordnung des Gesetzes und eine säkulare Demokratie.“Gegen den Reporter Ahmet Şık wurden weitere „Beweise“ in die Anklage aufgenommen. Dabei handelt es sich um dessen Tweets nach der Ermordung des russischen Botschafters durch einen türkischen Polizisten letztes Jahr. Der Staatsanwalt beschuldigt Şık zu leugnen, dass der Mörder ein Gülenist war. Er plädierte für die weitere Inhaftierung aller Mitarbeiter der Cumhuriyet.

Ali Celikkan
und Gülten Sarim