Kommentar von Peter Weissenburger
: Journali­stische Einschlafhilfe

Distanz ist ein wichtiger, wenn nicht der wichtigste Grundsatz im Journalismus. Wer über die Politik berichtet, soll sich nicht von der Politik bezahlen lassen, das erscheint ganz einfach. Im Einzelfall ist das nicht immer ganz so deutlich. Der RBB hat jetzt den Fernsehmoderator Jörg Thadeusz getadelt. Dieser hatte in seiner Funktion als Journalist bei einer Wahlkampfveranstaltung der CDU am Wochenende in Berlin ein Gespräch mit Spitzenkandidatin Angela Merkel geführt.

Das Ganze fand im „begehbaren Parteiprogramm“ der CDU statt und ging sinngemäß so: „Frau Merkel, was fällt Ihnen zur Digitalisierung ein?“ Merkel hält einen Vortrag über das Internet, angefangen beim Buchdruck. „Frau Merkel, nehmen uns die Roboter die Arbeitsplätze weg?“ Merkel hält einen Vortrag über Industrialisierung, angefangen beim – kein Witz – schlesischen Weberaufstand. „Frau Merkel, was ist Gerechtigkeit für Sie?“ Merkel: „Wir müssen Lösungen finden und stehen vor großen Herausforderungen.“

Dass sich hier ein Journalist als Stichwortgeber für Merkels Gutenachtgeschichte hergibt, fanden einige KollegInnen wie der Videojournalist Tilo Jung unangemessen. Thadeusz hingegen bestand darauf, dass er als Privatperson unterwegs war. Der RBB sieht das anders. Und zwar, weil Thadeusz eingangs gesagt hatte: „Ich arbeite hauptsächlich für den Rundfunk Berlin-Brandenburg“. In der Geschäftsordnung steht aber, MitarbeiterInnen sollten vermeiden, dass der RBB „unmittelbar oder mittelbar mit politischen oder sonstigen Auseinandersetzungen, insbesondere Wahlkämpfen, in Verbindung gebracht wird“.

Das ist ein bisschen lustig, wenn man sich vorstellt, dass Jörg Thadeusz – ein recht bekannter TV-Kopf, der gerade in einem beliebten ARD-Format mit SpitzenkandidatInnen Auto fährt – einfach mal so tun soll, als wisse niemand, wo er arbeitet. Vielleicht unter falschem Namen, mit Trenchcoat und Sonnenbrille? Natürlich bucht die CDU Thadeusz, weil er ein bekannter (Polit-)Journalist ist. Und da liegt das Problem. Nicht darin, dass JournalistInnen Nebeneinkünfte durch Moderationen haben – viele machen das, und viele verdienen eben auch als JournalistInnen nicht genug. Aber Wahlkampf machen und über Wahlkampf berichten: geht nicht. Egal, ob man seinen Arbeitgeber nun verschweigt oder nicht.