Eintrittsgeld nur gegen Leistung

Tourismus Bundesverwaltungsgericht: Die Gemeinden dürfen an den Teilen von Meeres­stränden Benutzungsgebühren kassieren, wo sie zum Beispiel Toiletten aufstellen

Sie haben gewonnen: Gegner der Strandabgaben in Wangerland Foto: Ingo Wagner/dpa

Von Sven-Michael Veit

HAMBURG taz | Sonnenbäder und Spaziergänge an Norddeutschlands Stränden dürfen nicht grundsätzlich gebührenpflichtig sein. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig in letzter Instanz entschieden. Strandgebühren sind dem Urteil zufolge höchstens dort zu rechtfertigen, wo die Kommunen den Gästen einen Mehrwert bieten: Meeresstrände allein jedoch haben umsonst zu sein.

Schätzungsweise 90 Prozent der Strände an Nord- und Ostsee sind gebührenpflichtig, die Kommunen und Kurverwaltungen brauchen die Einnahmen nach eigenen Angaben, um Infrastruktur wie Kurparks und Seebrücken zu bezahlen und die Strände von Müll und Seetang zu reinigen.

Mit diesem Urteil haben zwei Einwohner der ostfriesischen Gemeinde Wangerland Recht bekommen, die nicht einsehen wollten, warum sie für die Nutzung des Strands Eintritt zahlen sollten. Nach zwei Niederlagen in den unteren Instanzen setzten sie sich jetzt vor dem höchsten deutschen Verwaltungsgericht durch. „Die großflächige Kommerzialisierung des Strandzugangs in Wangerland ist unzulässig“, urteilte der 10. Senat am Mittwochabend.

Die kommunale Touristik GmbH der Gemeinde Wangerland verlangt von Tagesgästen ein Eintrittsgeld von regulär drei Euro für das Betreten zweier von ihr gepflegter und eingezäunter Strände. Die Inanspruchnahme nahezu des gesamten Strands sei unverhältnismäßig, so die Richter.

Die Tatsache, dass die Gemeinde den Strand sauber halte und immer wieder Sand aufschütte, reiche als Begründung nicht aus, um an fast dem gesamten Küstenabschnitt eine Eintrittsgebühr zu erheben, argumentierten die Richter. Das sei nur an solchen Abschnitten rechtens, an denen die Gemeinde etwa mit Kiosken, Umkleidekabinen und Toiletten für eine höhere Badequalität sorge. Dort müssen die Kläger auch weiter Eintritt zahlen. Strände ohne besondere Pflege hingegen müssten kostenlos sein. Die Leipziger Richter stützten sich in ihrem Urteil unter anderem auf Artikel 2 des Grundgesetzes, der „die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit“ vorsieht.

Wangerlands Björn Mühlena (SPD) sagte am Donnerstag, an den Teilen der Strände, wo es Gastronomie, Sanitäranlagen und Strandkörbe gebe, müssten die Besucher weiterhin Eintritt bezahlen. Der Rest solle frei zugänglicher Naturstrand werden, den die Gemeinde aber auch nicht mehr von Müll und Hundekot befreien werde.

Auf die Kurtaxe wirke sich das Urteil nicht aus, teilte ein Sprecher des schleswig-holsteinischen Innenministeriums mit. Diese Abgabe wird als Übernachtungsgebühr erhoben und bezieht sich nicht nur auf die Strandbenutzung.

Die Richter haben gegen die „großflächige Kommerzialisierung des Strandzugangs“ der niedersäch­sischen Kommune Wangerland ­entschieden

Bedarf für eine Neuregelung sieht Niedersachsens Landwirtschaftsminister Christian Meyer, der auch für Strandnutzungen zuständig ist. „So wie Waldspaziergänge keinen Eintritt kosten, muss auch für erreichbare Strandabschnitte das Meer kostenlos sein“, findet der Grünen-Politiker Meyer. Deshalb solle die entsprechende Regelung im Niedersächsischen Waldgesetz „gemäß dem Urteil überarbeitet werden“ – aber erst nach der Landtagswahl am 15. Oktober. Wer dann in Hannover regieren wird, ist allerdings offen.

In den Gemeinden und Tourismusverbänden beginnt derweil bereits die Suche nach juris­tischen Schlupflöchern. „Grundsätzlich scheint es ja nicht verboten zu sein, Strände einzuzäunen, wenn eine Infrastruktur vorhanden ist“, sagte Sonja Janßen vom Tourismusverband Nordsee. Vielleicht ist ja ein Dixiklo am Strandzugang die Lösung. (mit dpa)

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