UN-Bericht zu Rassismus in Deutschland: „Sie fürchten um ihre Sicherheit“

Es ist ein schlechtes Zeugnis für Deutschland: Menschen afrikanischer Abstammung sind in der Bundesrepublik regelmäßig Opfer von Rassismus.

Oury Jalloh verbrannte 2005 in einer Zelle in Dessau. 2016 wurde der Brand noch einmal rekonstruiert Foto: dpa

„Trotz Deutschlands Förderung von Multikulturalismus und Diversität ist die Arbeitsgruppe über die Menschenrechtslage von Menschen afrikanischer Abstammung tief besorgt. Während Menschen afrikanischer Abstammung eine viel­fältige Gruppe sind, kennzeichnen Rassismus, negative Stereotypisierung und struktureller Rassismus ihren Alltag.“

Dies ist ein Auszug aus den Schlussfolgerungen des Berichts der Arbeitsgruppe von Sachverständigen der Vereinten Nationen zu Menschen afrikanischer Abstammung in Deutschland.

Der UN-Menschenrechtsrat in Genf nimmt am Montag den Bericht entgegen, der in Deutschland Schlagzeilen machen müsste, wäre da nicht die Bundestagswahl. Das UN-Dokument mit der Kennziffer A/HRC/36/60/Add.2 und dem Titel „Bericht der Arbeitsgruppe von Sachverständigen zu Menschen afrikanischer Abstammung über ihre Mission in Deutschland“ wirft der Bundesrepublik strukturellen Rassismus gegen Schwarze vor und belegt dies mit zahlreichen Einzelbeobachtungen.

„Besonders besorgt“ äußern sich die UN-Sachverständigen über ungeklärte Todesfälle von Schwarzen in Deutschland. Neben dem bekanntesten Fall des in einer Dessauer Polizeizelle verbrannten Oury Jalloh – bei dem der Bericht das Fehlen einer unabhängigen Untersuchung sowie „Schikanen gegen Menschenrechtsverteidiger“ beklagt – nennt der Bericht eine bedrückende Liste von Toten: Ousman Sey in Dortmund, Christy Schwundeck in Frankfurt/Main, Slieman Hamade in Berlin, Maria El-Sherbini in Dresden, Mohammed Sillah in Remscheid, Dominique Koumadio in Dortmund, Laye-Alama Condé in Bremen, Achidi John in Bremen, Amir Ageeb in Frankfurt/Main, und N’deye Mariame Sarr.

„Sie ­werden Ziele und sind Opfer ­von rassistischer Gewalt und Hasskriminalität. Sie fürchten um ihre Sicherheit und meiden gewisse Orte, weil sie glauben, angegriffen zu werden. Sie sind rassischer Diskriminierung seitens ihrer Schulkameraden, Lehrer und Arbeitskollegen ausgesetzt sowie strukturellem Rassismus durch die ­Regierung und das Justizsystem.“

Angeprangert wird ferner das als „endemisch“ bezeichnete, gegen Schwarze gerichtete Racial Profiling durch die Polizei sowie ungenügender Schutz gegen rassistische Gewalt. Negative Stereotypen über Schwarze dominieren dem Bericht zufolge die deutschen Medien und es gebe rassische Diskriminierung auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt.

Zu den weiteren Themen des Berichts gehört die deutsche Abschiebepraxis ­sowie Deutschlands Umgang mit der eigenen ­Kolonialgeschichten. „Deutschland sollte sich an seine Rolle in der Kolonisierung, ­Versklavung, Ausbeutung und Völkermord von Afrikanern erinnern und Reparationen leisten“, lautet die allererste der insgesamt 33 Empfehlungen der UN-Arbeitsgruppe.

In Deutschland sind ­negative Stereotypisierungen von ­Menschen afrikanischer Abstammung weiterhin ver­breitet. Diese Stereo­typisierungen führen zu fehlgeleiteten und fehl­informierten Wahrnehmungen von ­Menschen afrikanischer ­Abstammung.“

Der Bericht folgt auf einen einwöchigen Deutschlandbesuch der drei UN-Sachverständigen Mireille Fanon-Mendès-France, Sabelo Gumedze und Ricardo Sunga Ende Februar dieses Jahres.

Veröffentlicht wird auch eine Stellungnahme der Bundesregierung. Sie begrüßt den Bericht lediglich als „Diskussionsbeitrag“, mahnt mögliche „Missverständnisse und Ungenauigkeiten“ an und wünscht sich in einigen Bereichen „weitere Klarstellungen“.

„Trotz des Ernstes der Lage sind sie nicht offiziell als eine dem Rassismus besonders ausgesetzte Gruppe anerkannt. Menschen afrikanischer Abstammung bleiben strukturell unsichtbar.“

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