Jamaika oder die journalistische Wurstlust

Dass die Grünen in Niedersachsen mit der CDU koalieren könnten, ist vor allem eines: eine Rachefantasie. An den Grünen

Jamaika in Niedersachsen – das wäre der Gipfel der Demütigung

In Niedersachsen zeigt sich, warum politische JournalistInnen so gerne von Jamaika träumen und schreiben: Es geht darum, die Grünen zu demütigen. Denn die Grünen haben sich ja längst für viele von ihnen zum Hassobjekt entwickelt. Machen sie das Richtige, dann nervt ihr Gestus moralischer Überlegenheit, dann wird ihre Askese als Angriff gedeutet, als gutmenschentümelnde Wurstlustfeindlichkeit – und welche größere Lust als Wurst kennte der politische Journalist? Sie ist sein stilles und nur durch grüne Moralisiererei schuldiges Vergnügen.

Machen einzelne Grüne aber etwas falsch, fliegen sie zu oft in den Urlaub, fahren sie einen Diesel, essen sie unvegan und rauchen, dann ist das fast noch schlimmer, also journalistisch besser. Denn dann geht es darum, in ihnen die generelle Heuchelei ihrer Partei aufzudecken. Genießerisch lässt sich hier das journalistische Geschäft der Enthüllung mit der symbolischen Demütigung verbinden: So geht das oft mit Jugendlieben. Und die Grünen waren die Jugendliebe etlicher Polit-JournalistInnen.

Jamaika in Niedersachsen – das wäre die Potenzierung dieser Hassfantasie, der Gipfel der Demütigung. Denn in Niedersachsen führt Bernd Althusmann ja nur noch den kläglichen Rest derer an, für die in der Wulff-Zeit Berlin zu gefährlich und Brüssel zu anspruchsvoll gewesen wäre. Eine Truppe, in der jemand wie Frank Oesterhelweg als ministrabel gilt, der auf Geflüchtete schießen lassen wollte, im Kreistag Wolfenbüttel aus nachvollziehbaren Gründen rechts neben der AfD sitzt und im Landtag fast so viel Ordnungsrufe wie Diäten kassiert hat.

Mit dieser Person zusammenarbeiten wäre schon extrem heftig. Bloß, diese Personalie zu verhindern, würde wahrscheinlich auch wieder nur dazu führen, dass er durch das allein in diesem Vergleich kleinere Übel Uwe Schünemann ersetzt würde. Und selbst das gäbe es wohl ebenso wenig umsonst wie eine Koalitionsvertragsklausel, nach der sich die in dieser Hinsicht notorischen christdemokratischen Kabinettsmitglieder zynischer und menschenverachtender Äußerungen zu enthalten hätten, sprich: ein Schweigegelübde abzulegen.

Oh, die Grünenhasser reiben sich schon die Hände: Was müssten die Ökos dafür aufgeben? Den Ringelschwanzschutz? Oder käme stattdessen die Abschusspflicht für Wölfe nebst präventiv Luchsen und Wildkatzen in Solling und Harz?

Was müssten die Grünen opfern, um zu verhindern, dass Niedersachsen, Schlusslicht bei der Verwirklichung des Menschenrechts auf Inklusion, diese wieder ausbremst, wie Ministerpäsidentenprätendent Althusmann wünscht? Wollen die Grünen weiterhin etwas für den Gewässerschutz tun? Dann nur mit einer festen Abschiebequote, die bei Mangel an illegalen Ausländer durch solche mit Aufenthaltstiteln aufzufüllen ist. Plus die Definition aller KurdInnen als Gefährder.

Das Schönste aber wird sein: die Vereinbarung auf dem Feld der Geschlechter- und Gleichstellungspolitik. Da wird die CDU den Gesetzentwurf der aktuellen Regierung wieder aufgreifen und erweitern: Sie wird die Gleichstellung durch eine regelrechte unabhängige Behörde institutionalisieren, eine unabhängige Landesfrauenbeauftragte in Ministerinnenrang, da können die Grünen ja wohl nicht nein sagen. Und diesen neuen Posten kriegt, das steht schon lange fest, natürlich Elke Twesten: die Frau, die von den Grünen zur CDU übergelaufen ist und damit die Neuwahlen erzwungen hat. Benno Schirrmeister