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: Rheintaltrasse geflickt. Schäden in Millionenhöhe

Falls Sie heute mit dem Zug in die Schweiz fahren: Die Rheintalbahn ist wieder offen. Doch die Sperrung könnte noch ein langes Nachspiel haben. Und die Schuldfrage ist völlig offen

Das Neue

Seit Mitternacht ist eine der wichtigsten Bahntrassen Europas wieder in Betrieb: Die Rheintalbahn, über die täglich um die 120 Personen- und 200 Güterzüge fahren, war seit 12. August gesperrt. Ab Montag sollen sämtliche Züge wieder wie vorgesehen fahren, fünf Tage früher als ursprünglich geplant.

Der Kontext

Die Zentrale an die Bahn lautet: Warum kam es zu dem Ausfall? Auf sechs bis acht Metern Länge hatten sich Gleise in Rastatt abgesenkt, weil darunter gerade zwei Tunnelröhren für eine Hochgeschwindigkeits­trasse zwischen Karlsruhe und Basel gebohrt werden. In einer der Röhren verwendet die Bahn ein neues Verfahren, bei dem über der Tunnelbohrmaschinen der Boden vereist wird. Dort senkten sich die Gleise bis zum 15. August allmählich um bis zu einem halben Meter ab. Laut der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Grünen gab es dabei keine Unfallgefahr, weil Sensoren die Absenkung rechtzeitig registriert hätten.

Die Reaktionen

Der grüne Verkehrsexperte und Bundestagsabgeordnete Matthias Gastel gibt der Bahn für ihr Krisenmanagement in den ersten Tagen die Note „mangelhaft“. Es habe keinen Plan B gegeben, was passiert, wenn eine Hauptschlagader des europäischen Bahnverkehrs ausfällt. Nach einigen Tagen gab es zwar Ausweichtrassen, doch die waren oft nicht für die Zuglängen ausgelegt, eingleisig oder nicht elektrifiziert. „Stellen Sie sich vor, eine Autobahn wird gesperrt und im Radio heißt es: eine Ausweichroute gibt es nicht“, sagt Gastel. Über Frankreich konnte die Züge kaum umgeleitet werden, weil dort die Tunnels andere Maße haben und die Sicherungssysteme in den Zügen nicht kompatibel sind.

„In Europa gibt es bei den Bahnen ein extremes Nationalstaatsdenken. Vielleicht ist die Sperrung der Rheintalbahn ein Weckruf, das endlich zu ändern“, hofft der Landesvorsitzende Baden-Württemberg des Fahrgastverbandes Pro Bahn, Stefan Buhl. Gastel fordert, endlich mehr Geld für die Schiene in Deutschland in die Hand zu nehmen – die Bundesregierung habe hier versagt.

Die Konsequenzen

Das Netzwerk Europäischer Eisenbahnen schätzt die Schäden allein für andere Eisenbahnverkehrsunternehmen auf 100 Millionen Euro, volkswirtschaftlich käme eine Summe von bis zu einer Milliarde Euro zusammen. Das Schweizer Transportunternehmen Bertschi sprach von einem Schaden von über 43 Millionen Euro und kündigte an, die Bahn verklagen zu wollen. Gegner das Bahnprojekts Stuttgart 21 haben Strafanzeige gegen die Bahn und die beteiligten Baufirmen erstattet – „wegen gefährlichen Eingriffs in den Bahnverkehr“. Nur mit Glück sei es zu keinem Unglück gekommen.

Aus dem Verkehrsausschuss des Landtages in Baden-Württemberg verlautete, der gesamte Ausbau der Rheintalbahn könne sich um zwei Jahre bis 2024 verzögern: Die gefährliche Tunnelröhre ist nun mit Beton gefüllt, und noch weiß niemand, ob sie überhaupt aufgebohrt werden kann. Ingo Arzt