Linke zoffen sich auf Facebook über den Kurs

Linkspartei Oskar Lafontaine kritisiert Parteispitze für „verfehlte Flüchtlingspolitik“. Reaktion: Kritik sei „nicht mehrheitsfähig“

Kommunizieren viel über soziale Netzwerke: Sarah Wagenknecht und ihr Ehemann Foto: Jan Woitas/dpa

von Anna Lehmann

BERLIN taz | Im Wahlkampf hatte sich Sahra Wagenknecht zurückgehalten. Kein Wort über „Gastrecht“ und Flüchtlinge, die die Sicherheit in Deutschland bedrohten. Doch noch in der Wahlnacht kritisierte die Spitzenkandidatin ihre Partei: diese habe es sich in der Flüchtlingsfrage vielleicht zu leicht gemacht, sagte sie im ZDF.

Nun legt ihr Ehemann Oskar Lafontaine nach. Auf Facebook erhob er am Dienstag schwere Vorwürfe gegen die beiden Parteivorsitzenden und kritisierte die „verfehlte Flüchtlingspolitik“ Angela Merkels wie auch seiner eigenen Partei. Diese sei „der Schlüssel“ für die mangelnde Unterstützung durch jene, die sich am unteren Ende der Einkommensskala befänden. Die beiden Parteivorsitzenden selbst fänden zu wenig Zustimmung bei den Wählern, kritisierte Lafontaine außerdem.

Tatsächlich hatte die Linke bei der Bundestagswahl mit 9,2 Prozent leicht zugelegt. Bei Arbeitslosen und Arbeitern schnitt sie mit 11 beziehungsweise 10 Prozent eher schlecht ab.

Das wirft ihr Lafontaine jetzt vor. Die Linke habe die Interessen hiesiger Arbeiter und Arbeitsloser aus dem Blick verloren, schreibt Lafontaine. Aber: „Man darf die Lasten der Zuwanderung über verschärfte Konkurrenz im Niedriglohnsektor, steigende Mieten in Stadtteilen mit preiswertem Wohnraum und zunehmende Schwierigkeiten in Schulen mit wachsendem Anteil von Schülern mit mangelnden Sprachkenntnissen nicht vor allem denen aufbürden, die ohnehin bereits die Verlierer der steigenden Ungleichheit bei Einkommen und Vermögen sind.“

Damit eröffnet der ehemalige Fraktionschef die Debatte darüber, wie das Wahlergebnis zu deuten ist. In den neuen Bundesländern fiel die Linkspartei hinter der AfD zurück. Dafür gewann sie im Westen hinzu.

Wagenknecht wiederholte am Mittwoch auf Facebook, was sie schon am Montag gesagt hatte: „Es gibt insbesondere im Osten eine nicht geringe Überschneidung zwischen unserem Wählerpotenzial und dem der AfD.“ Diese Menschen seien keine Rassisten, sondern unzufrieden und fühlten sich zurückgesetzt. „Es muss zukünftig noch viel klarer unser Ziel sein, diese Menschen von der Linken zu überzeugen!“, fordert Wagenknecht.

Die bayerische Bundestagsabgeordnete Nicole Gohlke reagiert auf Facebook prompt und genervt: „Ich habe so was von die Nase voll von diesen dauernden Angriffen auf unsere Parteivorsitzenden und von dieser genauso falschen wie hetzerischen These, Flüchtlingssolidarität wäre so was wie ein Ant­agonismus zum Eintreten für soziale Gerechtigkeit.“

Droht der Partei nun erneut ein interner Streit über Flüchtlinge und Einwanderung? Man habe die richtigen Antworten gegeben, insistierte Parteivorsitzende Katja Kipping am Montag. Unterstützung erhält sie aus dem Parteivorstand. „Wir bleiben knallhart bei unserer Position“, sagt Parteivize Axel Troost. Die Kritik von Wagenknecht und Lafontaine sei in der Partei überhaupt nicht mehrheitsfähig.

Der 44-köpfige Vorstand der Linkspartei hat sich mehrmals klar für das Recht auf Asyl und Freizügigkeit für alle Menschen ausgesprochen. Im Wahlprogramm der Linken heißt es, Geflüchtete dürften nicht zum Sündenbock für Mängel etwa in der Wohnungs- oder Sozialpolitik gemacht werden. Die Linke fordert stattdessen eine „soziale Offensive“ für alle.

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