Kulturpolitik der AfD: Kämpfe, die kommen werden

Die deutsche Sprache ist das „Zentrum unserer Identität“ – diesen Satz würden wohl viele unterschreiben. Auch wenn er von der AfD stammt.

Leere Theaterbühne

Vielfältige Kulturangebote würden nach Ansicht von AfDlern wohl leer ausgehen Foto: imago/imagebroker

Kulturpolitisch sieht es derzeit nach einem letzten Durchatmen aus. Noch einmal tief Luft holen, bevor die AfD im Bundestag mitspielt.

Der offene Brief, der gerade herumgeht und in dem gefordert wird, den Vorsitz des Bundestagsausschusses für Kulturpolitik auf keinen Fall der AfD zu überlassen, zeigt, dass man sich auf einiges gefasst macht. Weite Teile des kulturpolitischen ­Establishments haben ihn unterschrieben. Zwar hatte noch niemand so etwas vorgehabt, aber irgendeinen Ausschussvorsitz wird man der AfD zugestehen müssen. Und die Kulturpolitiker stellen sich schon mal auf die Zehenspitzen.

In der Tat wäre es töricht, der AfD so eine Bühne zu überlassen. Man stelle sich nur vor, ein Vertrauter des Herrn Gauland könnte als Chefkulturpolitiker des deutschen Parlaments, der er dann wäre, seinen Stolz auf die deutschen Wehrmachtsoldaten verkünden. Vergangenheitspolitisch lässt sich von diesem Posten aus viel Schaden anrichten. Mindestens genauso herausfordernd können aber Verschiebungen werden, bei denen weit ins bürgerliche Lager hinein die Abgrenzungen keineswegs so eindeutig sind.

Götz Kubitscheck, einer der Vordenker der neuen Rechten, hat nach der Wahl im Spiegel eine Art Maßnahmenkatalog für einen Kulturkampf von rechts aufgestellt und dabei die Geschichtspolitik interessanterweise sowieso ganz weggelassen. An vier anderen Punkten entscheidet sich vielmehr für Kubitscheck, ob die AfD Erfolg haben wird. Konsequente Infragestellung der Westbindung, Bekämpfung des Neoliberalismus, Bekämpfung des „linksliberalen Gesellschaftsexperiments“ und zurück zu „Deutschland den Deutschen“, Abschaffung der Massenuniversitäten.

Kulturpolitik von rechtsaußen

Diese vier Punkte sollte man sich merken. Es gehört wenig Fantasie dazu, sich auszumalen, wie ein AfD-Kulturpolitiker mit dieser Agenda im Kopf die Ärmel hochgekrempelt. Anfragen werden kommen, warum statt der westlichen Moderne nicht auch deutsches Brauchtum gefördert wird oder – als Alternative zur Westbindung – russische Folklore? Gefragt werden könnte auch, was die Bundesregierung eigentlich für die Reinhaltung der deutschen Sprache zu tun gedenkt.

Und was die Massenuniversitäten betrifft: Bildungspolitik ist Ländersache. Aber kulturpolitisch ließe sich da vom Bund aus einiges drehen. Warum kein Gesellschaftsbild vermitteln, auf dem, wie heißt das bei den Rechten so verbrämend, jeder an seinem Platz steht? Heißt: die Lenker und Denker oben, der einfache Mann unten.

Eine AfD-Kulturpolitik könnte versuchen, eine angeblich stabilere, vormoderne Gesellschaft wieder schönzureden. Inklusive Ausstellungen über die Schönheiten der Antike, Kongresse über die anstrengenden Kehrseiten von Selbstbestimmung und Emanzipation – you name it. Und die Frage ist, ob die AfD damit nicht sogar bis weit in bürgerliche Kreise hinein Anklang finden würde.

Vergangenheitspolitisch lässt sich von diesem Posten aus

viel Schaden anrichten

Letztlich liegt in solchen möglichen Verschiebungen die größere Gefahr als in der direkten Konfrontation etwa in Sachen Vergangenheitspolitik. Einen Satz, in dem die deutsche Sprache als „Zentrum unserer Identität“ begriffen wird, werden viele Menschen unterschreiben. Auch wenn er aus dem Grundsatzprogramm der AfD stammt.

Und bei der Antwort, die der AfD-Bundestagsabgeordnete Siegbert Droese – läuft sich da jemand für den Kulturausschuss warm? – auf den offenen Brief der Kulturpolitiker verfasst hat, kann man bei vielen Formulierungen denken: Das habe ich doch auch in Sonntagsreden von CDU- oder SPD-Politikern schon mal gehört. Von der Formulierung „Kultur stiftet Selbstverständnis, Zusammenhalt und Orientierung, kurz: Identität“ bis zur Wendung, dass „gerade in Zeiten massiver Umbrüche die Kraft der Kultur für den Erhalt unserer demokratischen Werte gestärkt“ werden muss.

Wie gesagt, die Zitate stammen von der AfD. Um sich von dieser Partei abzugrenzen, reicht es also keineswegs, Kunst und Kultur pauschal als gute Mächte zu beschwören. Man muss schon erklären, welche Kultur man meint. Der Kulturkampf mit der AfD wird auch darin bestehen, genau zu beobachten, wann ein offener, emanzipativer Kulturbegriff in einen ausschließenden und Fantasien vom angeblich „Eigenen“ befördernden Kulturbegriff umschlägt.

Das „wir“ in der Kultur

Viele Beobachter gehen davon aus, dass auch unter einer Jamaika-Koalition Monika Grütters Kulturstaatsministerin bleibt. Sie ist so weit weg von der AfD, wie man in der CDU nur sein kann. Allerdings: „Wir müssen einen guten Weg der Besinnung auf unsere eigenen Wurzeln finden, dann kann man auch dem Fremden den notwendigen Raum geben“, hat Grütters kürzlich gesagt.

Dieser Text stammt aus der taz.am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo. Und rund um die Uhr bei Facebook und Twitter.

Genau bei so einem Satz kommt es auf die Details an. Wer ist „wir“? Was ist ein „guter Weg“? Was sind die „eigenen Wurzeln“ (Blutabstammung oder republikanisch gedacht)? Was ist das „Fremde“ (nicht immer auch unsere Projektion?)? Offenbar zielt ihr Satz in die Richtung, mit Kultur die ominösen konservativen Bedürfnisse, von denen derzeit viel geredet wird, zu befriedigen. Aber ein Safe Space für Bildungsbürger alten Schlages kann die Kultur natürlich keineswegs sein. Zumal es viele von ihnen auch bei der AfD gibt.

Überhaupt, was wäre mit einer Kulturpolitik, die nicht immer doch irgendwann bei der Nation endet – wie das in Deutschland selbst bei fortschrittlichen Kulturpolitikern gern geschieht –, sondern ins Europäische weist oder gleich ins Transnationale? Auch auf solche Ideen könnte es im Kulturausschuss ankommen.

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