Zeche billiger als gedacht

Von dem 40-Millionen-Euro Fonds für Gipfel-geschädigte Gewerbetreibende muss wohl nur ein „mittlerer einstelliger Millionenbetrag“ ausgezahlt werden. Manche Geschäftsinhaber fühlen sich vom Staat geprellt

Von Gernot Knödler

Eingeschlagene Scheiben, zerstörte Geschäfte, ausgebrannte Autos: Der Schadenersatz für G20-geschädigte Firmen kommt den Hamburger Senat offenbar nicht so teuer zu stehen wie befürchtet. Von dem 40 Millionen Euro schweren Hilfsfonds, den der Bund und die Stadt aufgelegt haben, werde voraussichtlich nur „ein mittlerer einstelliger Millionenbetrag“ in Anspruch genommen, sagte ein Sprecher des Senats. Allerdings befürchten manche Betroffene, sie könnten um die staatliche Hilfe geprellt werden.

Firmen und Geschäftsleute können aus dem Fonds Geld bekommen, wenn der Schaden ihre Existenz gefährdet, die Versicherung nicht einspringt oder der Schaden direkt durch staatliches Handeln etwa der Polizei entstanden ist. Nicht berücksichtigt würden dabei Umsatzeinbußen während der Gipfeltage, die zwar für kleine Geschäfte und Kneipen nicht direkt existenzbedrohend seien, aber deren Rücklagen aufgezehrt hätten, kritisierte Christine Arisoy-Freitas vom Bündnis „Schanze miteinander“, einem Zusammenschluss von 60 Gewerbetreibenden.

Mit Blick auf den Hilfsfonds sind bis zum 28. September laut Senat 324 Anträge bei der Hamburgischen Investitions- und Förderbank eingegangen. 200 davon mit einem Gesamtvolumen von rund 406.000 Euro seien bewilligt worden. 126.000 Euro flossen demnach für Gebäudeschäden, 177.000 für beschädigte Autos und 103.000 für sonstige Schäden. Die höchste bis zum 28. September ausgezahlte Einzelsumme habe bei 60.000 Euro gelegen.

32 Anträge seien abgelehnt worden, weil zum Beispiel Schäden gemeldet worden waren, „bei denen es sich um keine Sachschäden handelte“.

Die Plünderungen eines Ladens für gebrauchte Apple-Produkte an der Schanzenstraße, eines Supermarkts und einer Budnikowsky-Filiale in der Straße Schulterblatt sowie die Zerstörung einer Bank sind in diese Auflistung wohl noch nicht eingeflossen. Gerade bei größeren Schäden sei die Schadensfeststellung aufwendiger, erklärte der Senat.

Weitere Anträge liegen bei der Handelskammer Hamburg, die ihre Mitglieder aufgefordert hatte, Schäden zu melden. 160 Meldungen seien bis zum 2. Oktober eingegangen, sagt Philip Koch von der Handelskammer. Gemäß einer Vereinbarung mit dem Senat sammle, sichte und sortiere die Kammer die Anträge und lasse gegebenenfalls noch Belege nachreichen, bevor sie die Anträge an die Förderbank weiterreiche.

Die Kammer hatte darauf gedrungen, zügig Geld aus dem Fonds fließen zu lassen. Der Fonds sei mit heißer Nadel gestrickt, hatte Handelskammer-Präses Tobias Bergmann moniert, nachdem bis Anfang August erst gut 50.000 Euro geflossen waren. „Wer die Musik bestellt, soll auch bezahlen.“ Die Geschäftsleute müssten einen vollen Ausgleich für alle erlittenen Schäden erhalten.

Mit der Protestaktion von „Schanze miteinander“ vor gut zwei Wochen hat die Kammer aber nichts zu tun. Die Kneipiers und Ladenbetreiber aus dem Schanzen- und Karoviertel sowie aus St. Pauli hatten wegen der ausbleibenden Hilfe von Bund und Stadt neben der Roten Flora ein Transparent „Wanted Zechpreller“ angebracht.

Bis jetzt habe der Senat noch nicht auf den Protest reagiert, sagt Arisoy-Freitas. Der G20-Gipfel habe Anfang des Monats, an den umsatzstärksten Tagen stattgefunden. Und es sei ein Unterschied, ob es mal einen halben Tag lang Einbußen gebe wie beim Schanzenfest oder eine ganze Woche. „Das war wie eine Dauerbelagerung“, erinnert sich Arisoy-Freitas.

Auch die Leute von „Schanze miteinander“ haben ihre Anträge der Handelskammer gegeben. „Ich habe ein vierseitiges Pamphlet verfasst, um meine Situation darzustellen“, sagt Katharina Roedelius vom Möbelgeschäft Lokaldesign. Wegen des Gipfels sei das Touristengeschäft vollständig ausgeblieben. „Das bringt uns langfristig in Schwierigkeiten“, sagt sie.

Zudem habe ihr Geschäft eine lange Glasfront mit abgerundeten Scheiben, die praktisch nicht zu schützen sei. Jetzt stehe sie vor der Frage, den Schaden von 10.000 Euro selbst zu begleichen oder eine Erhöhung der Versicherungsprämie in Kauf zu nehmen. Zwar sei auch schon die Rede davon gewesen, dass der Fonds die Mehrkosten bei den Prämien übernehmen könnte. Die Frage sei aber auch: Wie lange? „Und was passiert, wenn die Versicherung kündigt?“, fragt Roedelius.

Im Vergleich zu den 40 Millionen Euro des Fonds gehe es um kleine Beträge. „Wenn es die Mittel gibt, dann verstehe ich nicht, warum die nicht eingesetzt werden“, sagt Roedelius.