Die Wundergitarre ist ein Orchester

Konrad Sprenger ist Musiker, Tüftler und Konzeptualist. Für seine Platte „Stack Music“ hat er ein unglaubliches Instrument kreiert

Von Andreas Hartmann

Es schabt, pulst, orgelt und blinkt. Immer und immer weiter. Aber es gibt nicht das Immergleiche, sondern kaum merklich verändern sich die Klangbilder andauernd. Die Musik von Konrad Sprenger, der eigentlich Jörg Hiller heißt und in Berlin lebt, steht eindeutig in der Tradition der sogenannten Minimal Music, die amerikanische Komponisten wie Steve Reich und Philip Glass populär gemacht haben.

Sprenger selbst hat auch bereits mit Größen der Minimal Music zusammengespielt, mit Arnold Dreyblatt etwa und Ellen Fullman. Von beiden hat er zudem Platten auf seinem eigenen Choose-Label herausgebracht.

Der 40-jährige Konrad Sprenger veröffentlicht schon seit einer ganzen Weile Platten. Dabei arbeitet er gern an der Schnittstelle zwischen Musik und bildender Kunst, hat Klanginstallationen und -objekte erstellt und beispielsweise eine Vinyl-Schallplatte, auf der man die Geräusche hören kann, die eine verbrennende Violine von sich gibt. Die Asche des Instruments wurde in einen dazugehörenden Tonabnehmer verbaut.

Konrad Sprenger ist also Bastler, Tüftler und Konzeptualist. Da ist es kein Wunder, dass er seine neue Platte mit dem Titel „Stack Music“, die auf dem hervorragenden Berliner Label Pan erscheint, mit einem selbst gefertigten Instrument eingespielt hat.

Sich selbst einen Klangerzeuger zu erstellen hat in der Minimal Music eine gewisse Tradition. Die Komponistin Ellen Fullman beispielsweise hat ihr „Long Instrument“ selbst entworfen: 25 Meter lange, gespannte Saiten, die sie mit den Fingern zum Schwingen bringt. Das klingt übrigens ganz wunderbar.

Konrad Sprenger kommt nun mit einer elektrischen Gitarre daher, die er zu einer vom Computer gesteuerten Klangmaschine erweitert hat. Unterschiedliche Tonabnehmer werden über bestimmte Algorithmen vom Rechner angesteuert, und die klopfen und schaben dann die Saiten der Gitarre ab.

Wie Konrad Sprenger es hinbekommt, dass seine Wundergitarre dann mal klingt wie eine Orgel, ein Spinett, eine Triangel und ein Hackbrett, ja teilweise wie ein ganzes Orchester verschiedener Instrumente, das ist schon ziemlich eigentümlich und geheimnisvoll. Irgendwann klingt es gar, als würde ein Zug vorbeirauschen; so viel aus einer E-Gitarre konnte nicht einmal Jimi Hendrix rausholen. Konrad Sprenger sollte sich seinen Instrumenten-Eigenbau wohl patentieren lassen.

Vier Stücke gibt es auf der Platte, zwei davon gehen um die 18 Minuten lang. Minimal Music mit seinen typischen, nur ganz langsam greifenden Phasenverschiebungen, braucht eben Zeitraum, um sich wirklich entfalten zu können. Dabei entfernt sich Konrad Sprenger ausgerechnet bei seinen längeren Nummern vom Minimal und bewegt sich in Richtung Psychedelic und verspultem Krautrock.

Im Stück „Finale“ wird die Gitarre dann auch weniger betupft und beklöppelt von den computergesteuerten Tonabnehmern, sondern klassisch bezupft, ganz so, als würde Konrad Sprenger sein Instrument wieder mit den eigenen Händen befingern, so wie in den alten Zeiten. Plötzlich ist da auch ein Hauch von Blues vernehmbar, der besagte Zug rauscht vorbei, im geistigen Auge sieht man das Mississippi-Delta vor sich, und es klingt ein wenig nach dem großen Fingerpicking-Dekonstruktivisten John Fahey. „Stack Music“ ist eine wahrlich wunderliche, eine herausragende Platte.

Konrad Sprenger: Stack Music (PAN)