„Querdenker, die in der Vergangenheit für Innovationen in der Forschung gesorgt haben, drohen auf der Strecke zu bleiben“

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Andreas Keller, promovierter Politologe, ist bei der GEW zuständig für Hochschule und Forschung.

Foto: GEW

Interview Kaija Kutter

taz: Herr Keller, gibt es am Exzellenz­wettbewerb des Bundes von Seiten der in der Wissenschaft Beschäftigten Kritik?

Andreas Keller: Ja, es gibt eine kritische Debatte. 2016 hat sich nicht nur die GEW gegen eine Verlängerung der Exzellenz-Initiative ausgesprochen, auch die Petition „Für gute Forschung und Lehre – Argumente gegen die Exzellenzinitiative“ hatte eine große Resonanz. Sogar die offizielle Evaluationskommission unter Leitung von Dieter Imboden hatte der Exzellenz-Initiative bescheinigt, viele Ziele nicht erreicht zu haben: So sei nicht nachzuweisen, dass die geförderten Unis wirklich neue Forschungsschwerpunkte ausbilden. Und exzellente Forschung gehe auf Kosten guter Lehre, weil viele Spitzenforscher von der Lehre befreit werden. Leider wird Kritik mehr und mehr nur noch hinter vorgehaltener Hand geübt.

Warum?

Viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben Angst, als Nestbeschmutzer an den Pranger gestellt und womöglich für gescheiterte Anträge der eigenen Uni verantwortlich gemacht zu werden.

Wie sehen Sie das als Vize-Chef der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft?

Ich bin nicht grundsätzlich dagegen, dass der Bund Spitzenforschung fördert. Aber bevor er das im großen Maßstab macht, sollte er das viel gravierendere Problem der mangelnden Grundfinanzierung der Hochschulen lösen. Die Exzellenz-Initiative wurde als Exzellenzstrategie auf unbestimmte Zeit verlängert und bindet Jahr für Jahr weit über eine halbe Milliarde Euro. Doch was 2020 aus dem Hochschulpakt wird, steht in den Sternen. Dabei brauchen wir dringend mehr Studienplätze und bessere Betreuungsrelationen zwischen Lehrenden und Studierenden.

In der Petition heißt es auch, der Exzellenzdiskurs selbst sei „weitgehend wissenschaftsfremd“. Wieso?

Weil Wettbewerbe wie die Exzellenzstrategie die Anpassung an externe Erfolgsindikatoren belohnen – frei nach dem Motto: „Wes’Brot ich ess, des Lied ich sing.“ Das unterminiert die Selbstkontrolle der Wissenschaft und letztlich die akademische Freiheit. Wer einen Förderantrag stellt, antizipiert bereits die Erwartungshaltung der Drittmittelgeber und Gutachter, hat also die Schere im Kopf. Und wer auf Nummer sicher gehen will, wird sich nicht mit dem Mainstream in seiner Disziplin anlegen. Der Wettbewerb führt letztlich zu einer Monokultur an wissenschaftlichen Ansätzen. Querdenker, die in der Vergangenheit für Innovationen in der Forschung gesorgt haben, drohen auf der Strecke zu bleiben.

Was für Auswirkungen hat der Exzellenzwettbewerb auf die Arbeitsverhältnisse?

Er befeuert das Hire-and-Fire-Prinzip an Hochschulen und bedroht damit die Kontinuität und Qualität wissenschaftlicher Arbeit: Mit befristet zugewiesenen Geldern werden eben Forscherinnen und Forscher befristet eingestellt – und wieder entlassen, wenn das Projekt ausläuft, wie wir demnächst massenhaft an der Uni Bremen erleben werden. Wir brauchen aber dringend mehr Dauerstellen, was letztlich eine bessere Grundfinanzierung der Hochschulen voraussetzt.

Ist es nicht verboten, dass der Bund die Grundfinanzierung der Hochschulen zahlt, weil das Ländersache ist?

Nicht mehr. Das Kooperationsverbot des Grundgesetzes wurde zumindest für die Wissenschaft bereits 2014 gelockert. Der Bund kann nun die Länder auf Dauer und in der Fläche in der Hochschulfinanzierung unterstützen. Die Ironie des Schicksals ist, dass man die Grundgesetzänderung nun ausgerechnet genutzt hat, um die Exzellenz-Initiative auf unbestimmte Zeit laufen zu lassen. Dem haben am Ende alle Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder zugestimmt, auch der Grüne Winfried Kretschmann und der Linke Bodo Ramelow. Lediglich die Hamburger Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank hatte sich zeitweise quergestellt und wenigstens dafür gesorgt, dass es statt elf bis zu 14 Exzellenz-Unis geben kann.

Fanden nicht auch Linke die Exzellenz-Idee mal gut?

Falls sie auf die SPD und ihre ehemalige Bildungs- und Forschungsministerin Edelgard Bulmahn anspielen: Die Sozialdemokratie ist heute noch stolz auf die Exzellenz-Initiative. Man wollte das deutsche Wissenschaftssystem im globalen Maßstab mit Spitzenleistungen sichtbarer machen und ein deutsches Harvard oder Stanford schaffen, aber am Ende wurde das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Denn der Exzellenzwettbewerb setzt ein Alleinstellungsmerkmal des deutschen Hochschulwesens aufs Spiel: eine verlässliche Qualität von Lehre, Studium und Forschung, egal ob man nach Aachen oder Dresden, Flensburg oder Konstanz geht. US-Spitzen-Unis mögen viele internationale Rankings anführen, daneben gibt es aber Hunderte drittklassige Colleges, die unseren Qualitätsstandards nicht entsprechen.

Ist es denn nicht so, dass Professoren, sobald sie Beamte auf Lebenszeit sind, behäbig werden?

Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer haben heutzutage gar keine Chance, behäbig zu werden. Sie müssen Drittmittel einwerben, Studiengänge akkreditieren lassen, sich der Evaluation der Lehre stellen und Wissenschaftsmanagement betreiben. Der Weg zur Professur ist lang und steinig und von ständigen Leistungsbeurteilungen geprägt. In Länder wie Berlin erfolgt sogar die Erstberufung auf eine Professur grundsätzlich auf fünf Jahre befristet. Hinzu kommt eine leistungsorientierte Besoldung. Es gibt also keinen Mangel, sondern längst ein Übermaß an Wettbewerb.