Ein Leak sorgt für Ärger

Ein Entwurf des Abschlussberichts des Untersuchungsausschusses zum massenhaften Sozialbetrugsverdacht in Bremerhaven wurde zu früh öffentlich

Von Gareth Joswig

Ein Ausbeutungssystem und Behördenversagen waren offenbar hauptsächlich dafür verantwortlich, dass die Familie um den Bürgerschaftsabgeordneten Patrick Öztürk (ehemals SPD) im mutmaßlichen Sozialbetrugsverdacht einen Schaden von über sechs Millionen Euro anrichten konnten. Das steht laut Weser-Kurier im Entwurf des Abschlussberichtes des parlamentarischen Untersuchungsausschusses, der durchgestochen wurde.

Die Tendenz hatte sich bereits im Verlaufe der über 30 Zeugenbefragungen und zahlreichen Sitzungen angedeutet. Insbesondere die Befragungen des ehemaligen Sozialamtsleiter Klaus Rosche hatte Fragen und verärgerte Abgeordnete hinterlassen (taz berichtete), die dessen eher phlegmatische Amtsausübung deutlich kritisierten. Die staatsanwaltlichen Ermittlungen laufen noch.

Die Vereine „Agentur für Beschäftigung und Integration“ (ABI) und „Gesellschaft für Familie und Gender-Mainstreaming“ (GFGM) hatten viele BulgarInnen in einem Abhängigkeitsverhältnis ausgebeutet. Sie sollen die ArbeiterInnen mit gefälschten Verträgen ausgestattet haben, um so mittels einer Scheinselbstständigkeit aufstockende Leistungen über das Jobcenter zu kassieren. Ihre mutmaßlich „Mithilfe“ bei Jobcenter-Gängen ließen sich die Vereine ebenso bezahlen wie Nachhilfe für die Kinder der Betroffenen, die nie stattfand.

Die in sklavenähnlichen Zuständen lebenden BulgarInnen waren in Bremerhavener Schrottimmobilien untergebracht und wurden als Tagelöhner im Hafen und im Reinigungsgewerbe ausgebeutet. Erste Hinweise gab es 2013, die jedoch versandeten in Jobcenter und Sozialbehörde, sodass der mutmaßliche Missbrauch erst 2016 aufflog. Ausführlich geht der Entwurf auch auf die Rolle Öztürks ein, der seine Rolle als Abgeordneter ausnutzte, um sich nach Fördermitteln zu erkundigen und diese Infos an seinen Vater weitergab, der Vorsitzender der Vereine war.

Der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses, Nelson Janßen (Linke), ist verärgert darüber, dass der vertrauliche Berichtsentwurf bereits an die Öffentlichkeit gelangt ist: „Es gibt noch jede Menge Beratungsbedarf.“ Inhaltlich will er, genau wie Grüne, CDU und FDP noch nicht Stellung beziehen. Klaus Möhle (SPD) sagte, das System sei für Betrug anfällig gewesen, es brauche Kontrollinstanzen, um es betrugssicher zu machen.