Michael Bartsch über den Rücktritt von Ministerpräsident Tillich
: Sachsen-Union in Personalnöten

Plötzlich fühlt sich Stanislaw Tillich mit 58 Jahren zu alt und zu schwach für das Amt des sächsischen Ministerpräsidenten. Dabei weiß jeder, dass ihn letztlich die AfD gestürzt hat. Dass er mit dem Rücktritt auch Verantwortung für die in Sachsen besonders heftige Wahlniederlage der CDU bei der Bundestagswahl übernehme, hört man von Kommentatoren, nicht von ihm selbst. Werbung um Wählervertrauen sieht anders aus. Und die auffällige Zurückhaltung des Thronfolgers Michael Kretschmer nach der Wahl bestärkt die Vermutung, dass über Rücktrittsabsichten im engsten Zirkel schon seit Wochen gesprochen wird.

Die meisten hat der Rückzug des Ministerpräsidenten aber wirklich überrascht. Denn Tillich darf seit seiner Leitungstätigkeit beim Rat des Kreises Kamenz als geborener DDR-Opportunist gelten. In der Flüchtlings- und Ausländerfrage verhielt er sich wie ein Chamäleon. Der wurstelt sich auch diesmal durch wie bisher, überwiegend schweigend, konnte man nach der CDU-Wahlkatastrophe annehmen.

Wenn die sächsische Union inhaltlich vom Wähler nur noch verwaschen wahrgenommen wird, müsste sie in dieser Situation zumindest einen Strahlemann oder eine Powerfrau hervorzaubern, die dem gesichtslosen Polit­aufsteiger AfD personell etwas entgegen setzen könnten. Die aber sind nicht in Sicht. Auch Kronprinz Kretschmer hat diesen Anflug von Charisma nicht. Er taugt auch nicht wirklich als Hoffnungsträger, wie die bemüht wirkende Unterstützung der Landtagsfraktion signalisiert. In Görlitz verlor er sein Bundestags-Direktmandat an einen unbekannten AfD-Konkurrenten. Vor allem aber weicht Kretschmer der Frage aus, ob er als Generalsekretär und Stratege nicht auch zumindest Mitverantwortung für den Niedergang der Union in Sachsen trägt.

Ein doppelter Loser also, dessen politische Positionen zwischen Rechtsna­tio­nalismus und Liberalismus unscharf bleiben. In zwei Jahren muss er eine Landtagswahl für die CDU gewinnen, sonst war auch er der falsche Mann.

sachsen