die dritte meinung
: Wieso aus Sympathisanten neuerdings Gefährder werden, erklärt Rudolf Walther

Rudolf Walther

ist freier Publizist und lebt in Frankfurt am Main. Seine Essays, Kommentare und Glossen sind im Oktober Verlag, Münster, erschienen.

Pünktlich zum 40. Jahrestag der Ermordung Hanns Martin Schleyers tauchten in den Medien zwei notorisch Berüchtigte wieder auf – „der Sympathisant“ und „die Sympathisantenszene“ (FAZ 19. 10. 2017). Es handelt sich dabei um Gesinnungsbegriffe, mit denen abweichende Meinungen und Absichten mit terroristischen Taten kurzgeschlossen werden.

Um jemanden als im juristischen Sinne Verdächtigen einzustufen, müssen belastbare Fakten vorliegen. Mit dem Wort „Sympathisant“ nahmen Politik, Polizei und Medien eine Abkürzung. An Fakten vorbei konstruierten sie „geistige Verwandtschaften“ als mitverantwortlich für terroristische Taten. Weil die Täter unerkannt blieben, erfand man – auch zur Stimmungsmache fürs Publikum und zur Selbstlegitimation der Sicherheitsbehörden – die indirekt Verantwortlichen – „die Sympathisanten“ und „die Sympathisantenszene“. Das hatte den zumindest nicht unerwünschten Nebeneffekt, die überschaubare reale Tätergruppe zu vergrößern. Dem gleichen Zweck dienten das Wort „Umfeld“ und seine Potenzierung zum „Umfeld des Umfeldes“. So gerieten zu „Generationen“ kompilierte Ersatztätergruppen ins Visier von Polizei und „Diensten“.

In jüngster Zeit ersetzt der Begriff „Gefährder“ jenen des „Sympathisanten“. Wie diesem fehlt auch jenem, nach Auskunft des Innenministeriums vom 21. 11. 2006, eine Rechtsgrundlage. Die „Arbeitsgemeinschaft der Leiter der Landeskriminalämter und des Bundeskriminalamts“ schuf sich außerhalb des Rechts eine für diese Behörden bequeme Definition des „Gefährders“. Beide Begriffe zeichnen sich durch ihre inhaltliche Elastizität, das heißt Beliebigkeit und ihre quantitative Dehnbarkeit aus. Der damalige Innenminister Wolfgang Schäuble überlegte laut, „Gefährder zu behandeln wie Kombattanten und zu internieren“ (Spiegel Online 7. 7. 2007) und forderte zum Einstieg ein „Handy- und Internetverbot“ für „Gefährder“. Die Justizministerin Brigitte Zypries bremste das Vorhaben aus, das Strafrecht mit Gesinnungsbegriffen anzureichern.