Der „Ja, aber“-Verein

Der Hamburger SV unterliegt in der Fußball-Bundesliga dem FC Bayern mit 0:1. Die Neuigkeit: Der Trainerstuhl von Markus Gisdol wackelt nicht – noch nicht

Von Klaus Irler

Ja, der Hamburger SV hat am Samstag mit 0:1 gegen den FC Bayern München verloren – „aber die Leistung war gut“, sagt HSV-Trainer Markus Gisdol. Ja, der HSV hat in den letzten fünf Heimspielen im Volksparkstadion nur vier Punkte geholt – „aber da waren solche Kracher wie Leipzig, Dortmund und Bayern dabei“, sagt Gisdol. Ja, die Mannschaft hat viele Komplimente bekommen für ihren Kampfgeist gegen die Bayern – „aber ich tue mich schwer, alles positiv zu sehen“, sagen Gisdol und HSV-Sportchef Jens Todt unisono.

Der HSV, so viel lässt sich nach dem neunten Spieltag sagen, ist zu einem „Ja, aber“-Verein geworden. Es hat sich also etwas getan: Noch vor einem Jahr wurde nach einem ähnlich miesen Saisonstart Trainer Bruno Labbadia gefeuert – der HSV bestätigte damals seinen Ruf als Schleudersitz der Liga. Aktuell darf Gisdol trotz fehlender Punkte weitermachen. Seine Interpretation des „Ja, aber“ geht die Vereinsführung mit – noch.

Tatsächlich hat der HSV gegen den FC Bayern mit hohem Pressing und hoher taktischer Disziplin eine sehr ordentliche erste Halbzeit gespielt. Der HSV hielt die Bayern weg vom eigenen Tor. Zwar kamen die Hamburger selbst nur zu einer halben Torchance, aber hinten stand eine sichere Null.

Und dann kam die 39. Minute, in der der Schiedsrichter dem Spiel die entscheidende Wendung gab. Es war der erste Konter der Bayern, Kingsley Coman rannte Richtung Tor, Gideon Jung kam nicht hinterher und grätsche Coman in die Beine. Schiedsrichter Marco Fritz zeigte Jung die rote Karte. Eine grenzwertig harte Entscheidung. In Anbetracht der Tatsache, dass damit ein Spiel wie dieses entschieden ist, war sie zu hart.

In der zweiten Halbzeit folgte dann Spiel auf ein Tor: Die Bayern ließen den Ball laufen, die Hamburger kämpften gegen die Niederlage an. Immerhin kam der HSV unmittelbar nach dem 0:1 zu seiner besten Torchance. Andererseits trafen die Bayern mehrfach das Aluminium oder knapp daneben – das Spiel hätte ebenso gut 0:4 enden können.

Aber das tat es nicht und so konnte der HSV beweisen, wie viel Kampfgeist in der Mannschaft steckt. Trainer Gisdol brachte in der 76. Minute Tatsuya Ito und Filip Kostic und gab damit das Signal für eine Schlussoffensive trotz Unterzahl. Die Hamburger hielten die Hoffnung der Fans auf einen wie auch immer gearteten Ausgleichtreffer bis zum Schluss am Leben. Bayern-Trainer Jupp Heynckes sprach von einer „überragenden kämpferischen Leistung“ des HSV.

HSV-Trainer Gisdol wird nun das tun, was er nach jedem Spiel tut, nämlich: „die Partie einordnen.“ Zu sehen war, dass sein Team den Bayern eine Halbzeit lang auf Augenhöhe begegnen konnte – dass die Bayern in dieser Halbzeit aber nicht mit dem Erfolgsteam der ersten Spiele der Ära Heynckes angetreten waren, sondern die bisherigen Bankdrücker aufstellten, um Unmut im Team zu vermeiden. Die Bayern hatten ihr Team auf fünf Positionen verändert. Der HSV schien ihnen für Experimente schlecht genug.

Außerdem war zu sehen, dass zwar die Defensivleistung gut, die der Offensive aber wieder dürftig war. In der laufenden Saison hat der HSV erst sechs Tore zu Stande gebracht. Gegen die Bayern war es gerade mal ein Schuss, der den gegnerischen Torwart wirklich forderte.

Vielleicht ist es so: Ja, Gisdols Team ist auf einem guten Weg. Aber ob sich die Mannschaft schnell genug entwickelt und ihre Qualität reicht, um eine Wende im Abwärtstrend einzuleiten, das zeigt sich erst noch. Ja, es muss sich bald zeigen, nämlich am kommenden Wochenende bei den Berlinern. Aber wenn das wieder schiefgeht? Dann zeigt sich, wieviel sich beim HSV wirklich verändert hat.