Eine abgestrafte Generation

Mit Bernd Althusmann zusammen verliert eine ganze Männerriege aus Zeiten des früheren Ministerpräsidenten David McAllister die Wahl

Aus Hannover Andrea Scharpen
und Jan Kahlcke

Die Menge im Fraktionssaal der niedersächsischen CDU jubelt. Erst tut sie es ein wenig pflichtschuldig mit „Bernie“-Rufen, als ihr eigenes Ergebnis auf den Monitoren erscheint. Erst als die Niederlage der Grünen klar wird, klingt es dann ehrlich und richtig enthusiastisch. „Ja, es ist so. Rot-Grün hat keine Mehrheit“, sagt der Fraktionsvorsitzende Björn Thümler.

Die CDU in Niedersachsen greift nach Strohhalmen.

Einen Lauf hatte Spitzenkandidat Bernd Althusmann in diesem Wahlkampf nicht. Seitdem die Abgeordnete Elke Twesten von den Grünen zu seiner CDU gewechselt war, bröselte der Vorsprung gegenüber den Sozialdemokraten in den Umfragen dahin. Doch obwohl Althusmann zum Schluss sogar von der SPD überholt wurde, behielt er die Ruhe. Dem 50-Jährigen blieb auch nichts anderes übrig, als weiter Zuversicht zu verbreiten, frühmorgens an niedersächsischen Bahnsteigen Kaffee an Pendler auszuschenken und weiterzumachen.

Niedersachsen ist weder ein klassisches CDU- noch ein eindeutiges SPD-Land. Bei der vergangenen Wahl stand das Ergebnis erst weit nach 23 Uhr fest. Der damalige CDU-Ministerpräsident David Mc Allister erfuhr von seiner Niederlage vor laufenden Kameras. Zuvor hieß es stundenlang zittern. Dass es auch bei dieser Landtagswahl eng werden könnte, muss Althusmann klar gewesen sein.

Er hatte versucht, sich als moderner Konservativer zu präsentieren. Noch kurz vor Schluss des Wahlkampfs gab er dem Magazin Bunte ein Interview – wie es vor ihm schon der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) getan hatte, allerdings ohne dessen Entgleisungen.

Althusmann nimmt in dem Interview sogar Bezug auf Albig. Seine Exfrau sei „immer auf Augenhöhe mit mir“, sagte Althusmann, der gern als glücklicher Patchwork-Vater von den Wählern wahrgenommen werden will. Der ehemalige Bundeswehroffizier, der mit seiner tiefen Stimme schon im Wahlkampf so staatstragend wirkte, als sei er schon Ministerpräsident, zeigt seine sensibel-romantische Seite: „Und manchmal fangen wir auch an, im Wohnzimmer zu tanzen – nur wir zwei“, sagt er über seine zweite Frau.

Den Wählern scheint allerdings sein früheres Image stärker in den Köpfen geblieben zu sein: Als Turbo-Abi-Befürworter, Zauderer bei der Umsetzung von Gesamtschulen oder als Träger eines Doktortitels, den er nur sehr knapp behalten durfte, weil die Arbeit vor formalen Fehlern strotzte.

Althusmann ist Mitglied eben der Herrenriege, die schon unter David McAllister im Landtag saß. Sie alle sind älter geworden: Bernd Busemann, der in seiner Rolle als Landtagspräsident aufgeht, Fraktionschef Björn Thümler, der im Schattenkabinett für die Finanzpolitik vorgesehen war, Jens Nacke, der im Landtag gern provoziert, und sogar Ex-Abschiebeminister Uwe Schünemann ist noch dabei, wenn auch mit weniger Einfluss als zuvor. Es bleibt abzuwarten, wer von ihnen wieder ein Mandat bekommen hat.

Doch schon jetzt ist klar, die Niederlage Althusmanns ist auch ihre. Die CDU in Niedersachsen ist reif für einen Generationenwechsel und für mehr Weiblichkeit. Althusmann hatte dafür in seinem Schattenkabinett den Grundstein gelegt und sich Expertinnen von außen geholt. Aber warum gibt es eigentlich keine Frauen, die in der Fraktion in die erste Reihe drängen?

Und auch die Frontfrau der Union konnte Althusmann nicht retten. Vielleicht haben ihm das schlechte Ergebnis von Angela Merkel bei der Bundestagswahl und die Obergrenzenstreitigkeiten zwischen CDU und CSU sogar geschadet.

Wie es nun für Althusmann weitergeht, ist noch unklar. Ins Unglück stürzen wird ihn die Niederlage nicht. In seiner Zeit in Namibia habe er gelernt, sich auf das Wesentliche zu besinnen, sagte er. Seither hat er auch ein neues Lebensmotto: „Umwege erhöhen die Orientierung.“