Peter Weissenburger
Eier
: So mancher Mann versteht #MeToo nicht – dazu ein Gedicht

Foto: Diviam Hoffmann

In einer Bar spricht er sie an. Recht höflich, also lässt sie ihn.

„Sag nur dies eine mir, sag: wie beweis ich dir, dass ich kein Täter, sondern harmlos bin?

Ich bin nicht Weinstein, glaub mir, und bin auch kein Trump, bin auch kein Botschafter in Berlin.

Sexismus kneif ich mir, doch wie beweis ich dir, dass ich kein Täter, sondern harmlos bin?“

Sie sieht ihn an, sieht nach der Uhr, der Tür, aber der andre bittet sie, doch zu bleiben.

Er wolle nichts von ihr, doch sei er irritiert, weil viele Frauen da so Sachen schreiben.

Er sei recht aufgewühlt, er habe das Gefühl, er stünde unter Generalverdacht.

„Und dabei schwör ich dir, was Woody Allen sagt, hat mich wirklich um den Schlaf gebracht!

Ich bin selbst Feminist, klopf keine Sprüche, nie, nen Übergriff würd ich mich niemals trauen.

Und doch sagt mir dein Blick, der Blick von allen Frauen, dass sie mit Argwohn auf mich schauen.

Dass sie in mir den nächsten Grapscher sehen, den Feind, dem sie entfliehn. Bitte erklär es mir und dann beweis ich dir, dass ich kein Täter, sondern harmlos bin.“

Sie checkt ihn ab, er ist ganz nett, gewiss kein Schlechter, sein Bemühn ist echt. Er ist gut informiert, sein Arm tätowiert, er lallt nicht und er riecht nicht schlecht.

„Was du jetzt von mir willst, ist mir nicht klar. Nen Ablass? Tränen? Streicheleien? Von diesen Ängsten, die dir schlechten Schlaf bereiten, kann ich dich nicht befreien.

Dass du kein Täter bist, dafür kann ich nicht bürgen – die einen bauen Scheiß, die andern nicht. Die Guten mag es geben, doch weiß man’s niemals, damit müssen wir wohl beide leben.“

Da spricht er von Vertrauen, von Dubio und Reo, von Widerstand und Eigensinn. Sein Tee ist längst erkaltet, er scheint Jahre gealtert, murmelt was von „… harmlos bin“.

Auch sie ist traurig, wenn auch nicht zerrüttet, sie schüttet schnell ihr Bier herunter, sagt: „Ich werd jetzt gehen, weißt, du musst verstehen, dass Frauen dich schon seit jeher so sehen.

Vertrauen schön und gut, aber die Zeichen stehen anders, und jede Dritte hat Gewalt erfahren. Drum lieber Obacht geben – das is nich persönlich, das ist Überleben.“

Die Fünftages-vorschau

Mo., 30. 10.

Mithu Sanyal

Mithulogie

Di., 31. 10.

(auf taz.de)

Doris Akrap

So nicht

Mi., 1. 11.

Adrian Schulz

Jung und dumm

Do., 2. 11.

Jürn Kruse

Nach Geburt

Fr., 3. 11.

Franziska Seyboldt

Psycho

kolumne@taz.de

„Wie kann ich denn auf eurer Seite sein, wenn ihr mich gleich verstoßt?“, ruft er erbost, etwas zu laut, sodass der Barmann kurz mal rüberschaut. „Ich bin nicht beides, Lösung und Problem!“ Und sie entgegnet nichts, dreht eine Kippe sich, es wird ihr langsam unbequem.

„Entschuldige“, sagt er, „es ist frustrierend, sag, darf ich mal ziehn? Wollt dir nur sagen, dass ich kein Täter, dass ich harmlos bin.“

„Okay, ein Deal“, sagt sie, „zum Spaß! Ich sag jetzt mal, ich glaub dir das. Geb dir die Hand drauf, du bist clean! Doch wenn mal eine zu dir sagt, dass sie das so und so nicht mag, dann hörst du hin!“

„Das ist doch nicht so schwer!“, sagt er. Erleichtert steht er auf, dreht sich zum Gehen. Sie treten raus auf die Meile, stehn da noch eine Weile – er fragt ob sie es störe, wenn er sie ein Stück begleite.

Sie aber wünscht ihm Glück, erinnert an den Deal – und wählt die andre Straßenseite.