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Erstmal zu „Dr. Google“:Wenn Patienten sich im Internet über Gesund­heitsfragen informieren

Bevor Birgit Kaufmann (Name geändert) zum Arzt geht, macht sie sich erst einmal selbst schlau: im Internet. Sie rufe die Seite eines Gesundheitsportals auf, „wenn ich glaube, eine Krankheit zu haben oder Symptome feststelle, gebe ich das ein“, sagt die 60-jährige Sprachheilpädagogin. Längst nimmt sie auch nicht mehr jedes verordnete Medikament einfach ein, ohne sich über Nebenwirkungen zu informieren: Als ihre Ärztin ihr ein Antibiotikum gegen Blasenentzündung verschrieb, recherchierte sie online – und schluckte es am Ende nicht.

So wie Kaufmann informieren sich mittlerweile immer mehr Menschen im Internet über Krankheiten, Diagnosen und Therapien. Sie fragen „Dr. Google“ und Co. um Rat, und das oftmals schon, bevor sie zum Hausarzt gehen. „Die Digitalisierung verändert auch das Gesundheitswesen“, sagt Ruth Denkhaus vom Zentrum für Gesundheitsethik an der Evangelischen Akademie Loccum.

Das Zentrum hat deshalb gemeinsam mit Medizinern, Kommunikationswissenschaftlern, Gesundheitsethikern, Vertretern von Patientenorganisationen und Krankenkassen sowie Daten- und Verbraucherschützern über die Herausforderungen diskutiert: Welche Kriterien müssen Websites oder Apps erfüllen, damit man sie Patienten weiterempfehlen kann? Ist die Vielfalt an Informationen hilfreich oder verwirrt sie? Und wie verändert sich die klassische Arztrolle?

Zwar ist der Hausarzt laut dem Gesundheitsmonitor 2015, erstellt von der Bertelsmann Stiftung sowie der Barmer GEK, noch immer der erste Ansprechpartner. Doch fast 40 Prozent der Befragten konsultierten auch das Internet. Und es werden mehr, sagt eine der Autorinnen der Studie, die Kommunikationswissenschaftlerin Eva Baumann vom Center for Health Communication in Hannover.

Doch es ist nicht unbedingt der beste Weg, die Krankheit oder das Symptom einfach bei Google einzugeben: So gibt es gute Seiten, die Experten empfehlen, weil sie von Medizinern verfasst oder ohne gewerbliche Interessen sind. Diese landeten bei der Suchmaschine aber selten auf den ersten Rängen, sagt Baumann. Je mehr Quellen es gebe, desto größer seien Vielfalt – und Unsicherheit.

„Was wir brauchen, ist ein Gesundheitsnavigator“, fordert Eva Baumann. Die vom Bundesgesundheitsministerium und 14 Partnern begründete „Allianz für Gesundheitskompetenz“ plane unter anderem, ein Internetportal einzurichten, das Adressen bündeln soll.

Patientin Birgit Kaufmann hat beides schon erlebt, Erleichterung und noch größere Sorge. Als ein Arzt ihr ein Mittel gegen Panikattacken verordnete, war sie beunruhigt: Psychopharmaka waren ihr suspekt. Nachdem sie in Betroffenen-Foren gelesen hatte, wuchs ihre Sorge vor vermeintlichen Nebenwirkungen sogar noch. „Es wurden schaurige Geschichten und dramatische Fälle geschildert.“

Überzogene Befürchtungen oder falsche Hoffnungen gehören zu den unerwünschten Nebenwirkungen der Recherche im Internet. Bei chronischen Erkrankungen hingegen können Patienten durchs Netz zu Experten in eigener Sache werden. Auch zur Gesundheitsvorsorge gibt es dort sinnvolle Tipps. Und wer Online-Foren zum Erfahrungsaustausch nutzt, wird mindestens merken: Er ist mit seinem Leid nicht allein.

Forscherinnen wie Baumann sehen die Ärzte dennoch weiter gefragt: Sie könnten eine Lotsenfunktion übernehmen. Viele Ärzte sind aber selbst nicht gut im Bilde darüber, wo gute Gesundheitsseiten im Netz zu finden sind. Und jeder zweite Arzt sieht es der Studie zufolge zwiespältig, wenn Patienten vorher selbst nach Informationen gesucht haben. Jeder zehnte rät davon sogar ab.

Birgit Kaufmann jedenfalls will vorbereitet sein – auch für den Fall, dass die Arztpraxis voll ist: „In den fünf Minuten, die Ärzte einem dann vielleicht Zeit lassen, würden mir sonst nicht alle Fragen einfallen.“ (epd)