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: Islands Parlament ohne „Strahlende Zukunft“

Rund 248.000 Wahlberechtigte haben am Wochenende ein neues Alþingi gewählt. Acht Parteien teilen sich nun die 63 Parlamentssitze. Regierungsbildung wird schwierig

Das Neue

Bei den isländischen Parlamentswahlen am Samstag hat das bisherige Mitte-rechts-Bündnis seine Mehrheit verloren. Nach der Auszählung am Sonntag ist klar: Mit dem als Favoriten gehandelten Bündnis aus Links-Grünen, Sozialdemokraten und Piraten wird es nichts. Sie erreichen die erforderlichen 32 Sitze im Parlament Alþingi nicht. Die Parteienlandschaft hat sich überdies weiter aufgespalten: Zwei neue Parteien – darunter eine rechtspopulistische – werden ins Parlament Alþingi einziehen, womit dort nun erstmals acht Parteien vertreten sein werden. Das lässt eine schwierige Regierungsbildung erwarten.

Von den drei Koalitionspartnern der Regierung schaffte es die liberale „Strahlende Zukunft“ gar nicht mehr ins Parlament, die „Renaissance“ verlor mit 6,7 Prozent ein Drittel ihrer Stimmen. Ihrem skandalbelasteten Parteivorsitzenden Bjarni Benediktsson zum Trotz konnte die Selbstständigkeitspartei mit 25,2 Prozent ihre traditionelle Position als Islands stärkste Partei behaupten.

Der Kontext Stimmen kostete die Selbstständigkeitspartei aber wohl nicht nur der Vergewaltigungsskandal, der im September zu den Neuwahlen geführt hatte. Anfang Oktober wurde auch bekannt, dass Benediktsson im Finanzcrash 2008 nur Stunden vor dem Zusammenbruch und der Verstaatlichung der Pleitebank Glitnir alle seine dortigen Fondsanteile verkauft und damit Millionen für seine Familie gerettet hatte. Benediktsson war damals Mitglied im parlamentarischen Wirtschafts- und Finanzausschuss. Er bestreitet trotzdem, Insiderwissen gehabt zu haben.

Die Geschichte schwelt ungeklärt vor sich hin, weil die Polizeibehörde von Reykjavík auf der Grundlage eines weithin kritisierten Gesetzes den Medien verbieten ließ, vor der Wahl mehr Details darüber zu veröffentlichen. Ein Gerichtsentscheid über diesen beispiellosen Eingriff in die Pressefreiheit wird erst in den nächsten Wochen erwartet.

Die Reaktionen

Katrin Jakobsdóttir, die Parteivorsitzende der Links-Grünen (Vinstrihreyfingin – grænt framboð) zeigte sich noch in der Wahlnacht schwer enttäuscht über das Abschneiden ihrer Partei, die mit 16,9 Prozent wieder auf den zweiten Platz kam. Umfragen hatten aber ein deutlich höheres Ergebnis vorhergesagt. ­Jakobsdóttir war bereits als mögliche neue Ministerpräsidentin einer Koalition mit den Sozialdemokraten (die nun 12 Prozent erhielten) und der Piratenpartei (9,2 Prozent) gehandelt worden.

Die Konsequenz

Der Auftrag für die siebte Regierungsbildung in zehn Jahren dürfte zuerst an Benediktsson von der Selbstständigkeitspartei gehen. Für eine Parlamentsmehrheit bräuchte er aber drei weitere Parteien. Die mit 7 Prozent erstmals über die Fünfprozenthürde kommende und weit rechts stehende populistische Volkspartei („Flokkur fólksins“) dürfte aufgrund ihrer flüchtlingsfeindlichen Rhetorik als nicht koalitionsfähig angesehen werden. Am Ende könnte es wieder wie bisher eine Mitte-rechts-Regierung geben.Reinhard Wolff, Stockholm