talk of the town
: Saure Kartoffeln

In ihren Social-Media-Blasen überschlagen sich Rechte wegen zwei Kolumnen von linken Frauen. Der Ton dabei sagt mehr über das rechte Weltbild aus als über diese Texte

Kannst du drehen und wenden, wie du willst: die Kartoffel Foto: Daniel Gay/getty images

Von Lalon Sander

Am Wochenende hatte die deutsche Rechte mal wieder Futter für ihren ewigen Opfermythos. Wo im Netz sonst Meldungen von „Ausländerkriminalität“ und islamophobe Meinungsstücke die Runde machen, finden sich plötzlich zwei linke Kolumnen, geschrieben von Frauen, die selbst ernannte Konservative bis Neonazis ausflippen lassen.

Sybille Berg hatte bei Spiegel Online (Spon) geschrieben, in Deutschland etabliere sich eine faschistische Bewegung, während Linke über Gesprächsführung mit Rechten diskutierten. In der taz hatte Hengameh Yaghoobifarah irritiert festgestellt, dass Deutsche offensichtlich lieber einen Tag weniger frei haben, als Muslim*innen einen Feiertag zu gönnen.

Beide Texte gehören bei den einschlägigen Social-Media-Accounts zu den meistgeteilten Beiträgen vom Wochenende. Und zu beiden gibt es eine klare Meinung: Berg rufe zu Gewalt auf, heißt es, Yaghoobifarah sei rassistisch. „Echter Rassismus gegen Deutsche bei der TAZ“, kommentiert ein besonders produktiver AfD-Face­bookkanal den Artikel in der taz. Berg wiederum unterstellt er einen Aufruf zur Gewalt. Diese Vorstellungen werden im Netz nicht nur von Hunderten rechter Konten geteilt, sondern auch publizistisch verarbeitet; beispielsweise im rechten Magazin Compact, das Yaghoobifarah als „Geschöpf“ bezeichnet, oder in dem rechten FAZ-Blog von Rainer „Don Alphonso“ Meyer, der suggeriert, in Regionen der angeblichen „Spon-Antifa-Koalition“ sei man seines Lebens nicht mehr sicher.

Diese Lesarten zeigen, wie sehr die Rechte in Deutschland es sich in ihrem Kokon aus Selbstverleugnung und Opfermythos gemütlich gemacht hat – und wie einfach diese Ruhe zu stören ist. „Vielleicht ist der Schwarze Block, die jungen Menschen der Antifa, die Faschisten mit dem einzigen Argument begegnen, das Rechte verstehen, die einzige Bewegung neben einem digital organisierten Widerstand, die eine Wirkung hat“, schreibt Berg in ihrer Kolumne. Die Zeit des Redens sei vorbei.

Um über das Reden mit Rechten hinaus aktiv zu werden, muss man nun aber längst nicht gewalttätig werden. Man muss schon willentlich die vielen friedlichen Gegen­demonstrationen, Straßenblockaden, die Recherchearbeit und Antifa-Medien ignorieren, um gedanklich bei einem Gewaltaufruf zu landen.

Niemand konspiriert jahrelang, um Menschen mit besonders deutschen Namen umzubringen

Ohnehin vergessen Rechte gerne, dass ihre Bewegung weit gewalt­tätiger ist als irgendetwas, das linke Aktivist*innen verzapfen. Brennende Autos und verkokelte Bahnanlagen stehen fast 200 Todesopfern rechter Gewalt seit 1990 gegenüber. Nicht einmal dschihadistische Terroristen haben in Deutschland so viele Menschen umgebracht. Hinzu kommen Hunderte Anschläge auf Flüchtlingsheime – einige tödlich, andere Tote in Kauf nehmend – und regelmäßige Hetzjagden auf nichtweiße Menschen, von Köln bis Bautzen.

Klar, da ist es natürlich eine Provokation, wenn jemand nicht mehr mit Rechten reden will. Am besten nimmt man aus Protest den Galgen wieder mit zur Pegida-Demo, wie man es ja auch 2015 getan hat.

Yaghoobifarah wiederum bezeichnet Deutsche als Kartoffeln und Lauchs und spricht von „deutscher Dreckskultur“. Eine rassis­tische Bezeichnung sei das, heißt es in den vielen der rechten Kommentare. Und Volksverhetzung. Das ist sie, die Rechte, die selbst gar nicht so selten mit „Satire darf alles“ um sich wirft; denen bei offensichtlich satirischen Überspitzungen direkt der Kamm schwillt.

„Kartoffel“ ist gleichzusetzen mit Bezeichnungen wie dem N-Wort? Wirklich? Leute entmenschlichen Deutsche als „Kartoffeln“ und wollen sie versklaven? Sie vielleicht sogar millionenfach umbringen?

Nein. Niemand geht abends mal „Kartoffeln aufklatschen“, konspiriert jahrelang, um Menschen mit besonders deutschen Namen umzubringen, oder diskriminiert sie beim Bewerbungsgespräch.

Tatsächlich bietet Yaghoobifarah den ach so Diskriminierten in der taz lediglich einen zusätzlichen Feiertag an. Mit Dreckskultur spielt sie auf die Nutzung von Papier statt Wasser auf deutschen Klos an. Und wenn sie davon spricht, dass Deutsche sich selbst abschaffen, geht es um die Wahlkampflügen, die die AfD ihren Wählern auftischt. Rechte Deutsche, die Opfer von rechten Deutschen sind.

Klar, dass das rechte Deutsche in ihrem Kokon stört.