die gesellschaftskritik
: Das Thema Menstruation ist in der Regel ein Tabu

In der längsten Kunstgalerie der Welt, der Stockholmer Metro, werden Themen wie Inklusion und Frauenrechte behandelt. Doch wenn Menstruation thematisiert wird, ist das den Schwed*innen zu viel

Ein roter Farbklecks versetzt schwedische U-Bahn-Fahrer*innen derzeit in helle Aufruhr. Der Grund: In einer Stockholmer Metro-Station hängen seit einigen Wochen Schwarzweißbilder der feministischen Künstlerin Liv Strömquist, auf denen Eiskunstläuferinnen in unterschiedlichen Posen zu sehen sind – mit einem roten Fleck im Schritt. Unter einem steht in Anlehnung an einen Bob-Dylan-Song: „It’s alright (I’m only bleeding).“

Außerdem zeigt die Künstlerin auf ihren Bildern nackte Männer und Frauen mit unrasierten Beinen.

Die Stockholmer Metro, die tunnelbana, wird mit permanenten Ausstellungen an 90 der 100 Stationen gern als die längste Kunstgalerie der Welt bezeichnet. Die langfristig ausgestellten Werke thematisieren unter anderem Frauenrechte und Inklusion. Doch für Menstruationsblut im öffentlichen Raum scheint Schweden nicht bereit zu sein.

In den sozialen Netzwerken ist die Aufregung groß. „Das ist keine Kunst, das ist ekelhaft“, empört sich ein Nutzer auf Twitter. Eine andere schreibt: „Herrlich! Nun können die Stockholmer Menstruation sogar in der U-Bahn genießen!“, und eine Dritte merkt an: „Es macht keinen Spaß, einem vierjährigen Kind das Rot zwischen den Beinen erklären zu müssen.“

Sprachexpertin und Bloggerin Janet Carr schreibt, sie sei zwar froh, dass die Gesellschaft heute offener mit körperlichen Funktionen wie der Menstruation umgehe. Aber sie sei sich nicht sicher, ob sie im öffentlichen Nahverkehr mit riesigen Bildern wie diesen konfrontiert werden wolle.

Das zeigt, dass die weibliche Menstruation immer noch mit einem Tabu behaftet ist. Frauen bluten einmal im Monat, ja – aber sie sollen bitte nicht dar­über reden und besser verbergen, dass sie ihre Tage haben.

Es ist schon bemerkenswert: Im Jahr 2017 schockt die Gesellschaft nichts so leicht; doch ein Blutfleck im öffentlichen Raum stellt eine Provokation dar. Auf Werbeplakaten mit objektifizierten Frauenkörpern und Anspielungen auf sexualisierte Gewalt konfrontiert zu werden scheint hingegen niemanden zu stören. Wie wird die Twitter-Nutzerin ihrem vierjährigen Kind die vielen sexistischen Werbeplakate erklären, die sonst so in U-Bahn-Stationen hängen?

Elisabeth Kimmerle