Bilderstreit in Dresden: Die verletzte ostdeutsche Seele

Verdrängen westdeutsche Künstler das Erbe der DDR? Der Bilderstreit über die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden wurde kultiviert ausgetragen.

Eine Frau steht neben einem Gemälde. Darauf ist ein Adler und blau, gelb und rot zu sehen

„Der Zugriff“ von Helge Leiberg, geboren in Dresden, aus dem Jahr 1980 in einer aktuellen Ausstellung der Staatlichen Kunstsammlungen Foto: dpa

DRESDEN taz | Die Szenerie im Lichthof des Dresdner Albertinums erinnerte am Montagabend an das letzte Abendmahl. 15 Apostel der Kunst saßen an einer Tafel, umringt von 500 Fragen stellenden Jüngern. Es ging auch um einen Abschied, den von der sogenannten DDR-Kunst. Diese vermissen die Einheimischen in dem den Neuen Meistern gewidmeten Teil der Staatlichen Kunstsammlungen. Wutbürger machten sich mit Hassnachrichten an das sächsische Kunstministerium und Albertinumsdirektorin Hilke Wagner Luft. Nun wurde der seit Oktober tobende Bilderstreit öffentlich und für Dresdner Verhältnisse auffallend kultiviert ausgetragen.

Im Albertinum fanden die Kunstausstellungen der DDR statt, für die das historische Gebäude an der Brühlschen Terrasse vollständig geräumt wurde. Die letzte DDR-Kunstausstellung 1987/88 zählte 1,1 Millionen Besucher und wurde heftig diskutiert. Nach dem Empfinden sensibler Dresdner verdrängen Werke westdeutscher Künstler zunehmend das vorzeigbare Erbe der DDR.

Die Auseinandersetzung um „Staatskunst“, „DDR-Kunst“ oder davon zu unterscheidende „Kunst in der DDR“ hatte 1999 beim Bilderstreit in der Kulturhauptstadt Weimar einen ersten Höhepunkt erreicht. Aktuell wird er überlagert von der Wiederentdeckung der verletzten ostdeutschen Seele.

Angst um eine schwindende, oft erst postum entdeckte Ost-Identität mischt sich mit berechtigtem Ärger über das Verschwinden spezifischer Ost-Komponenten wie der gegenständlichen Malerei oder des Dresdner Spätexpressionismus. Vergleichbaren Frust löst die Respektlosigkeit gegenüber der musikalischen Avantgarde der DDR oder der Umgang mit ihrer architektonischen Moderne aus.

Kein „Schutzstatus“ für DDR-Künstler

Die Diskussion im Albertinum vermochte den Bilderstreit nun auf die Ebene der Kunstkritik und des internationalen Kontextes zu heben und damit teilweise zu entschärfen. Generaldirektorin Marion Ackermann machte klar, dass praktische Raumprobleme und keine „konforme Westverschwörung“ hinter dem Dilemma stecken, die Dynamik aktueller Kunst ebenfalls berücksichtigen zu wollen. Die verdiente Kuratorin Susanne Altmann wiederum erklärte, dass man keinen „Schutzstatus“ für DDR-Künstler oder deren „erneute Ghettoisierung“ wolle.

Der Blick von außen könne dem narzisstischen Selbstbild der Dresdner guttun, lautete der Tenor mehrerer Äußerungen. Thomas Oberender, der aus Jena stammende Intendant der Berliner Festspiele, warnte etwa davor, über Kunst unter identitären Gesichtspunkten zu sprechen.

Äußerungen aus dem Publikum zeigten, dass das Leiden über vermisste Werke einer besonderen Kunstliebe vieler Sachsen entspringt. Der stille Kompromiss des Abends lief auf einen häufigeren Ausstellungswechsel und die Suche nach anderen Präsentationsorten hinaus. Wer akut unter Entzugserscheinungen leidet, kann derzeit auch nach Potsdam in die Barberini-Ausstellung von DDR-Kunst reisen.

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