Antisemitismus bei Lazio Rom: Keine Minderheit

Lazio-Rom-Fans platzierten Sticker mit Anne Frank im AS -Rom-Trikot – eine antisemitische Schmähung. Damit das aufhört, muss die Justiz handeln.

Viele Leute und ein Kranz an einem Gebäude

Funktionäre und Spieler von Lazio Rom legen vor einer Synagoge einen Kranz nieder Foto: dpa

ROM taz | Bestens bekannt ist das Gesicht des Mädchens auf dem Aufkleber wohl den meisten Italie­nern. Schließlich gehört das Tagebuch der Anne Frank dort zu den Standardlektüren der Fünft- und Sechstklässler. Doch die Zettelchen, die Fans von Lazio Rom während des Spiels Lazio gegen Cagliari dutzendfach in der „Curva Sud“, der Südkurve des Olympiastadions, platziert hatten, waren nicht als Erinnerung an die Untaten der Nazis gemeint. Im Gegenteil, es ging um Schmähung.

Per Fotomontage hatten sie der jüdischen Anne Frank ein Trikot des bei den Lazio-Tifosi zutiefst verhassten AS Rom angezogen, die Botschaft lag auf der Hand: „la Roma“, wie der AS in der Stadt nur heißt, ist eine Judenmannschaft, und damit gleich keine Missverständnisse aufkamen, war die Südkurve – Heimstatt der AS-Rom-Ultras – noch mit reichlich antisemitischen Schmierereien verunstaltet.

Dass es gerade unter den organisierten Ultras von Lazio von Faschisten und Nazis wimmelt, ist keine Neuheit. Im Jahr 2005 zum Beispiel rückten die Fans mit einer Hakenkreuzflagge an. Der damalige Kapitän von Lazio, Paolo Di Canio, antwortete mit einem zackigen Römischen Gruß.

Immer nach solchen Episoden hieß es von der Vereinsspitze, bloß eine „verschwindende Minderheit sei da am Werk, und der Hauptvorwurf an sie lautete, sie beschädigten den guten Namen des Clubs. Auch diesmal ging die Leier los. „Fassungslos“ sei der Verein angesichts des Wirkens „einer äußerst kleinen Gruppe“, die natürlich „mit den Tifosi, die sich immer gut benommen haben, nichts zu tun haben“. So geht es immer, wenn die Fankurven – nicht bloß des Lazio, sondern auch von AS Rom und vielen anderen italienischen Vereinen – mal wieder mit antisemitischen Ausfällen oder mit Affengeschrei auffallen, sobald ein schwarzer Spieler den Ball berührt.

Heftige Reaktion aus Politik und Medien

Beim Kleinreden und Verharmlosen stand bisher selbst die Justiz nicht abseits. So wurde erst im letzten Februar das Verfahren gegen zwei Lazio-Fans eingestellt, die der Polizei mit Gesängen gegen die „gelbroten Juden“ vom AS Rom aufgefallen waren. Der Staatsanwalt befand zum Entsetzen der jüdischen Gemeinde, es liege keine Straftat vor.

Diesmal jedoch fiel die Reaktion aus Politik und Medien weit heftiger aus. Staatspräsident Sergio Mattarella geißelte „die tumbe Grausamkeit des Antisemitismus“, und Matteo Renzi, Chef der Hauptregierungspartei Partito Democratico, legte den italienischen Fußballmannschaften nahe, beim nächsten Spiel statt mit dem Logo des jeweiligen Sponsors mit einem Davidstern aufzulaufen. Italiens Fußballverband verordnete für die am Mittwoch angesetzten Erstligaspiele die Verlesung einer Seite aus Anne Franks Tagebuch vor Spielbeginn.

Dass es gerade unter den Ultras von Lazio von Faschisten und Nazis wimmelt, ist keine Neuheit

Es mag sein, dass diese neue, weit klarere Reaktion auch damit zu tun hat, dass sich in den letzten Monaten in Italien ausländerfeindliche Ausschreitungen häuften, wie Mario Calabresi, Chefredakteur der Tageszeitung La Repubblica, vermutet. Jedenfalls machte sich diesmal Lazio-Vereinspräsent Claudio Lotito auf den Bußgang zu Roms Synagoge, um dort Blumen niederzulegen. Die Spitze der jüdischen Gemeinde allerdings empfing ihn nicht, und Lotito trat auch gleich die Demonstration an, wie ungeübt er in der Distanzierung ist. Er sei „gegen Antirassismus und Antisemitismus“, entfuhr es ihm, und das von den Nazis ermordete jüdische Mädchen wurde ihm zur „Anna Franke“.

Ob sich nun wirklich in den Stadien etwas ändert beim Kampf gegen rassistische Ausfälle, liegt jedoch auch an der Justiz. 15 Täter sind dank Videoaufzeichnungen schon ermittelt, sie riskieren jahrelange Stadionverbote, während die Staatsanwaltschaft prüfen will, ob Aufstachelung zum Rassenhass vorliegt.

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