Immer Ärger mit dem Judo

Beim Grand-Slam-Turnier in Abu Dhabi darf es Israels Flagge und Hymne nicht geben. Die Sportler wehren sich mit Siegen

Als er sein Land noch zeigen durfte: Tal Flicker im August 2017 Foto: imago

Von Martin Krauss

Gesungen hat er. Aber mitsingen konnte Tal Flicker nicht. Denn während seiner Siegerehrung beim Judo-Grand-Slam in Abu Dhabi schepperte eine ihm unbekannte arabische Weise. „Das war nur Lärm aus dem Hintergrund“, sagte der Israeli. „Ich sang von Herzen die Hatikwa.“

Nicht nur, dass die israelische Hymne bei dem Sport­event in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) nicht gespielt wurde, auch die israelische Flagge war nicht zu sehen, und offiziell wurden die insgesamt zwölf israelischen Weltklassesportler als Vertreter der „IJF“ vorgestellt – der Internationalen Judo-Föderation. Dass die Israelis, wie die anderen Athleten auch, ihr Land repräsentierten, durfte in Abu Dhabi niemand sehen.

Der Skandal hatte sich bereits angedeutet: Zunächst wollten die VAE die Israelis nicht einreisen lassen. Auf Druck der IJF wurden sie doch zugelassen, aber kurz vor dem Abflug am Flughafen in Tel Aviv hieß es, es gebe Visaprobleme. Auch hier musste wieder Druck der IJF her.

Die Delegation kam doch an und tat den Veranstaltern die größte Gemeinheit an, die Sportler jemandem antun können: Sie waren erfolgreich. Neben Gold für Tal Flicker, der in der Unter-66-Kilogramm-Kategorie gewann, holte auch die Judoka Gili Cohen eine Medaille: Bronze in der Klasse unter 52 Kilogramm.

Immer wieder Judo. Nicht nur in der Chronik der Boykotte gegen den jüdischen Staat spielt die Kampfsportart eine besondere Rolle. Auch was die – nicht allzu lange – Geschichte israelischer Sporterfolge, etwa bei Olympischen Spielen, angeht, führt Judo an.

Zuletzt kam beides zusammen. Gili Cohen musste bei den Olympischen Spielen 2016 in Rio erleben, dass Joud Fahmy aus Saudi-Arabien, die für einen Kampf gegen sie gesetzt war, aus fadenscheinigen Gründen einen Kampf vorher abbrach, um nicht die Israelin treffen zu müssen. Größere Wellen schlug es in Rio, als sich der Ägypter Islam El Shehaby weigerte, seinem israelischen Gegner, dem späteren Bronzemedaillengewinner Ori Sasson, die Hand zu reichen, wie es üblich ist. „In manchen Situationen habe ich den Hass in seinen Augen gesehen“, sagte Sasson später und urteilte über seinen Gegner: „Eigentlich tut er mir leid.“

Vier Jahre zuvor, bei den Olympischen Spielen in London, hatte sich die Judo-Nationalmannschaft des Libanon geweigert, neben dem israelischen Team zu trainieren. Die Olympia-Organisatoren kamen der Forderung nach, indem sie einen Sichtschutz zwischen die Trainingsgruppen stellten.

Israelische Judoka kennen die Versuche, sie wie Aussätzige zu behandeln. 2007 etwa weigerte sich Syrien, zu einem Turnier ins türkische Izmir zu reisen.

Größere Aufmerksamkeit erregte 2004 bei den Spielen in Athen der iranische Judoka Arash Miresmaeili, damals amtierender Weltmeister, der sich extra zwei Kilo Gewicht anfutterte, um nicht gegen den Israeli Ehud Vaks antreten zu müssen und zugleich nicht dafür bestraft zu werden, dass er aus politischen Gründen boykottiert hätte. Der Skandal nach dem Skandal: Teheran honorierte die antisemitische Tat mit Ehrungen und Zuwendungen.

Diskriminierungen und Boykottdrohungen erleben israelische Athleten aller Sportarten. Schon der Umstand, dass das geografisch in Asien liegende Land nur in europäischen Verbänden vertreten ist, weil viele Nachbarländer des asiatischen Kontinents sie boykottieren, illustriert die Situation.

Nicht nur in der Chronik der Boykotte gegen den jüdischen Staat spielt Judo eine besondere Rolle. Auch was Erfolge angeht, führt die Sportart an

Judo sticht vielleicht deswegen so stark hervor, weil hier israelische Erfolge offensichtlich sind: 1992 waren es die Judoka Yael Arad und Oren Smadja, die die allerersten Olympiamedaillen für das kleine Land holten. Von den neun Medaillen insgesamt holten Judoka fünf. Erfolgreicher ist im Heiligen Land keine Sportart.

Dass sportliche Erfolge kleineren Nationen helfen, auf die „politische Landkarte“ zu gelangen, ist ein seit der erfolgreichen afrikanischen Unabhängigkeitsbewegungen in den sechziger Jahren bekanntes Phänomen. Dass die israelischen Judoka aber diesbezüglich mit politischem Auftrag unterwegs wären, lässt sich nicht behaupten.

Sportministerin Miri Regev wollte nicht, dass die Athleten die Reise nach Abu Dhabi antreten, wenn sie Israel nicht repräsentieren dürften. Israels Verbandspräsident Mosche Ponte konterte: „Wir lassen uns nicht auf politisches Parkett zerren.“ Ein Fernbleiben wäre ein Sieg der VAE, argumentierte er, und verwies darauf, dass das Grand-Slam-Turnier für die Qualifikation zu den Olympischen Spielen 2020 in Tokio von Bedeutung ist.

Schon früher hatten israelische Sportler gerade mit den VAE Probleme: 2009 und 2010 etwa wurde der Tennisspielerin Shahar Pe’er das Visum verweigert, um an den Dubai Open teilnehmen zu können. Erst als 2010 die WTA mit dem Entzug der Akkreditierung drohte, andere Weltklassespielerinnen wie Venus Williams protestierten und das Wall Street Journal sich als Sponsor zurückzog, durfte Pe’er teilnehmen.

Nun, nach dem Gold für Judoka Tal Flicker in Abu Dhabi, kann Israel wieder auf einen sportpolitischen Erfolg zurückschauen. „Ich bin sehr froh, hier zu sein – mit einer Flagge oder ohne Flagge“, sagte der Trainer Oren Smadja. Mit sportlichen Erfolgen könne man zeigen, „dass es unmöglich ist, den Staat Israel zu stoppen“.