Schön zu hören
– aber wohl nicht für alle

Die ARD startet eine neue Hör-App – und testet so die Grenzen dessen aus, was die Öffentlich-Rechtlichen im Internet dürfen

Smart: die neue ARD-Audiothek Foto: SWR/ARD

Von Peter Weissenburger

Kaum noch jemand schaltet zu einer fixen Uhrzeit das Radio an, um sich ein ausgesuchtes Hörspiel, ein Feature, eine Doku reinzuziehen. Und so verschwinden teils aufwendige und teure Hörfunkproduktionen unbemerkt im All.

So jedenfalls sahen das die ErfinderInnen der ARD-App „Audiothek“, die am Mittwoch offiziell gestartet ist. Das neue Angebot bündelt Hörstücke aus allen Kanälen der Sendergemeinschaft. Redaktionell aufbereitet, intuitiv in der Bedienung und zweifelsfrei hörerfreundlich. Aber die App testet auch die Grenzen dessen, was dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk im Netz gestattet ist. Freuen dürfte das außerhalb der ARD nicht jeden.

„Die ganze ARD im Hörfunk – auf einen Klick“, so kündigte die Vorsitzende der ARD-Hörfunkkommission Nathalie Wappler das Projekt vor einem Jahr an, die ARD-Vorsitzende Karola Wille freute sich über einen Schritt in Richtung „vernetztes, föderales Content-Netzwerk“. Da war bereits seit einem Jahr klar: Die ARD muss sparen. Die Stichworte dazu sind „Effizienz“ und „Synergie“. Die Anstalten sollen mehr zusammenarbeiten, Doppelstrukturen sollen wegfallen.

Das ist in diesem Fall tatsächlich geschehen. Der „Audiothek“-Projektleiter Jan Weyrauch kommt von Radio Bremen, die App wurde in der Entwicklungsabteilung des BR gebaut. Die Inhalte werden von allen neun Anstalten und dem Deutschlandfunk zur Verfügung gestellt und beim SWR kuratiert. Kosten des komplett ARD-intern umgesetzten Projekts: rund 200.000 Euro.

Das Ergebnis ist eine handliche App, die je nach Hörvorlieben individuell angepasst werden kann. Netzaffinen HörerInnen, die Audioplattformen wie Spotify oder Online-Podcasts gewöhnt sind, kommt das entgegen. Und das Interesse scheint groß: Bereits seit der Frankfurter Buchmesse Mitte Oktober war eine Betaversion der „Audiothek“ in den Stores von Android und IOS zu haben. In dieser Zeit wurde die App – ganz ohne Werbung – 13.000 mal runtergeladen, so Projektleiter Weyrauch.

Aber nicht alle dürften sich freuen. Schon bei der Ankündigung vor einem Jahr ärgerte sich der Privatrundfunk. Von dessen Verband, dem VPRT, hieß es umgehend, die geplante App sei „ein neuerlicher Beweis dafür, dass die Politik öffentlich-rechtliches Radio grenzenlos gewähren lässt“. Die Privaten befürchten, dass sie im Wettbewerb mit den gebührenfinanzierten Öffentlich-Rechtlichen nicht bestehen können, wenn diese sich auf Ausspielwege der Privaten ausweiten.

NutzerInnen können Sendungen herunterladen

Deswegen ist es den Öffentlich-Rechtlichen auch untersagt, Inhalte im Netz länger als sieben Tage nach Ausstrahlung stehen zu lassen. Exklusive Online-Inhalte ohne Sendungsbezug darf es gar nicht geben, sagt der Rundfunkstaatsvertrag. Allerdings kann die vorgeschriebene Verweildauer mit der neuen Audiothek umgangen werden – indem die Inhalte schon vor dem Sendetermin online gehen. Denn die sieben Tage zählen erst ab der Erstsendung im TV oder Radio. Auch können NutzerInnen sich Sendungen herunterladen, die ihnen dann ohne Zeitlimit zur Verfügung stehen. Als Privatkopie sei das rechtens, so die ARD.

Was das Verbot von Exklusiv­inhalten angeht, spricht Projektleiter Weyrauch von einer „rechtlichen Grauzone“. Bisher sind keine Inhalte ohne direkten Sendungsbezug geplant – aber die Versuchung wird durch Angebote wie die Audiothek wohl größer werden. Für Funk, das junge Content-Netzwerk von ARD und ZDF, existiert bereits eine Ausnahmeregelung.

Auch AutorInnen dürften sich sorgen. Schon länger stehen Honorarregelungen wie eine Zweitvergütung von Wiederholungen zur Debatte. Sollten Sendungen in Zukunft weniger oft im Rundfunk ausgestrahlt, sondern gleich nach dem ersten Sendetermin auf die App verschoben werden, könnten freien JournalistInnen Teile ihrer Einnahmen abhandenkommen. „Effi­zienz“ und „Synergie“ heißt ebenauch: Inhalte möglichst kostenfrei zweitverwerten.