Ulrike Herrmann über Gutachten der „Fünf Weisen“
: Expertise nur für Reiche

Das neueste Gutachten der „Fünf Wirtschaftsweisen“ ist ein eindrucksvolles Dokument – des Scheiterns. Der Text offenbart, woran die Mainstream-Ökonomie krankt: Ideologie ersetzt Forschung.

Bestes Beispiel ist das Thema „Verteilung“. Die Gutachter monieren, dass die Deutschen so anhaltend über die wachsende Ungleichheit debattieren. Denn die „statistische Faktenlage“ zeige, dass die Einkommensverteilung seit 2005 „weitgehend stabil“ geblieben sei. Botschaft: Wenn sehr viele Arbeitnehmer feststellen müssen, dass ihre Löhne kaum steigen, dann ist dies eine optische Täuschung! Implizit wird den Beschäftigten unterstellt, dass sie eine Horde von Dauernörglern seien, die unbedingt eine Neiddebatte führen wollten.

Diese seltsame Behauptung ist nur möglich, weil die Gutachter die eigenen Statistiken gewaltsam zurechtbiegen, die gut sichtbar in ihrem Text platziert sind. Diese Langzeitreihen zeigen eindeutig, dass ab dem Jahr 2000 eine fundamentale Wende eintrat: Die Nettoeinkommen der untersten 10 Prozent sanken deutlich, während sich bei der Mitte fast gar nichts tut – und nur die obersten 10 Prozent profitieren. (Wer nachlesen will: Seite 410 im Gutachten.)

Es hat natürlich einen höheren Sinn, dass die marktradikale Mehrheit unter den „Fünf Weisen“ das Thema Ungleichheit entsorgen will. Denn wo angeblich Gerechtigkeit herrscht, muss der Staat nicht helfen. Der Regierung wird explizit geraten, sich von einer „Politik der Umverteilung“ zu verabschieden.

Allerdings zeigt sich schnell, dass die Ökonomen ein sehr seltsames Verständnis von „Umverteilung“ haben. Für sie ist es völlig in Ordnung, wenn die Reichen begünstigt werden. So soll beispielsweise der Soli abgeschafft werden – wovon vor allem die Besserverdienenden profitieren würden.

Das Gutachten war nicht billig. Man sollte den Vorschlag der fünf Ökonomen ernst nehmen, überflüssige Ausgaben zu streichen – und bei ihnen anfangen.

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