heute in bremen
: Deutschland als Sehnsuchtsort

Foto: privat

Axel Dunker, 56, ist Professor für Neuere Deutsche Literatur und Literaturtheorie an der Universität Bremen.

taz: Herr Dunker, was ist ein Migrationsvordergrund?

Axel Dunker: Der Begriff wurde von der Autorin Kat Kaufmann geprägt. Wenn man einen Migrationshintergrund hat, wird man in der alltäglichen Interaktion häufig darauf festgelegt. Daher stehen Migrationserfahrungen vielmehr im Vordergrund.

Um welche Themen wird es bei Ihrer Tagung gehen?

Wir beschäftigen uns mit Autoren und Autorinnen, die aus Osteuropa kommen und deutschsprachige Literatur verfassen. Dabei wird es um Themen wie Migration, Flucht und Selbst- und Fremdwahrnehmung gehen. Wir befassen uns außerdem mit der Vorstellung von Deutschland als Sehnsuchtsort und wie viele Menschen kurze Zeit nach der Ankunft desillusioniert werden. Des Weiteren stellen wir uns die Frage, inwiefern die Kategorie „Osteuropa“ eigentlich noch passend ist.

Inwiefern setzen Sie sich mit dieser Kategorie auseinander?

Die Bezeichnung „osteuropäische Herkunft“ lässt viel Verallgemeinerung zu. Dies wird der Komplexität der Erfahrungen der Autoren und Autorinnen aus besagten Ländern nicht gerecht.

Trotzdem sprechen Sie von einer „Osterweiterung der deutschsprachigen Literatur“.

Damit ist zum einen die Geschichtslast, also die Erfahrungen des Holocausts und des 2. Weltkriegs gemeint und zum anderen die Geschichtenfülle. Dazu zählen die vielen Erfahrungen, das hohe Formbewusstsein und die Intensität, die die Autoren und Autorinnen in die deutschsprachige Literatur mit einbringen.

Autoren und Autorinnen aus Osteuropa haben also einen großen Einfluss auf die deutschsprachige Literatur?

Ja, sie stellen eine absolute Bereicherung für die hiesige Literatur dar und bringen ihren eigenen kulturellen Hintergrund mit.

„Migrationsvordergrund – Provinzhintergrund. Deutschsprachige (Welt-) Literatur aus Osteuropa“, Tagung und Konferenz, 14.30 Uhr, Auf dem Teerhof 58

Wie lässt sich dieser Einfluss wissenschaftlich erfassen?

Wir nehmen uns bestimmte Begriffe vor und es wird untersucht, inwiefern diese literarisch bearbeitet werden. Dabei geht es nicht nur um Inhalte, sondern auch um die sprachliche Form.

Interview: Paula Högermeyer