Unabhängigkeit nur „symbolisch“

Katalanische Abgeordnete erkennen vor Gericht die Zwangsmaßnahmen der spanischen Regierung an

Aus Madrid Reiner Wandler

Die Anhörung der Präsidentin des katalanischen Autonomieparlaments Carmen Forcadell sowie fünf weiterer Präsidiumsmitglieder hat am Donnerstag eine überraschende Wende genommen. Die Angeklagten haben ausdrücklich die Zwangsmaßnahmen Madrids gegen die nordostspanische Region anerkannt. Ministerpräsident Mariano Rajoy hatte am 27. Oktober nach einer einseitigen Unabhängigkeitserklärung des Parlamentes die katalanische Regierung abgesetzt, die Verwaltung selbst übernommen, sowie das katalanische Parlament aufgelöst und Neuwahlen für den 21. Dezember angesetzt.

Forcadell sagte laut der spanischen Presseagentur EFE aus, dass die Unabhängigkeitserklärung „rein symbolisch“ gewesen sei. Nach diesen Aussagen wird erwartet, dass die Staatsanwaltschaft keine Untersuchungshaft gegen die Betroffenen beantragen wird und sich stattdessen mit polizeilichen Auflagen und einer regelmäßigen Meldepflicht zufrieden geben wird. Den sechs Präsidiumsmitgliedern wird „Rebellion“, „Aufstand“ und „Veruntreuung öffentlicher Gelder“ vorgeworfen.

In der vergangenen Woche hatte eine Richterin des spanischen Sondergerichtshof nach einer Anhörung Untersuchungshaft gegen mehrere Mitglieder der abgesetzten katalanischen Regierung angeordnet. Anders als die Abgeordneten am heutigen Donnerstag hatten sie zuvor nicht auf die Fragen der Staatsanwaltschaft geantwortet. Unter ihnen ist der katalanische Vizeregierungschef Oriol Junqueras.

Regierungschef Carles Puigdemont und vier weitere Minister hatten sich rechtzeitig nach Brüssel abgesetzt. In den kommenden Wochen wird die belgische Justiz über eine mögliche Auslieferung entscheiden.

Anders als Richterin Carmen Lamena an der Audiencia Nacional gewährte Richter Pablo Llarena am Obersten Gerichtshof vor einer Woche einen Aufschub der Anhörung, um den Betroffenen und ihren Anwälten mehr Zeit für die Prozessvorbereitung zu geben. Die ursprünglichen Vorladungen waren den Mitgliedern des Parlamentspräsidiums und der Regierung weniger als 24 Stunden vor dem Gerichtstermin zugestellt worden.

Das juristische Vorgehen der spanischen Justiz wird von Protest begleitet. Am Donnerstag haben Demonstranten bei einem Generalstreik in Katalonien Straßensperren errichtet. Am morgigen Samstag ist in Barcelona eine Großdemonstration geplant, mit der sich die Organisatoren für die Freilassung der Regierungsmitglieder sowie der Vorsitzenden der beiden wichtigsten Organisationen der Unabhängigkeitsbewegung ANC und Òmnium einsetzen.