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: Die EU bereitet sich auf einen „No-Deal-Brexit“ vor

Ein Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union ohne förmliche Vereinbarung ist möglich, gesteht der EU-Chefunterhändler. Britische Brexit-Radikale fühlen sich bestätigt

Das Neue

Michel Barnier, Brexit-Unterhändler der EU, hat in einem Interview mit der französischen Zeitung Journal du Dimanche ein Scheitern der Brexit-Verhandlungen mit Großbritannien nicht ausgeschlossen. Ein „No-Deal“ sei nicht seine „Option“, aber eine „Möglichkeit“, und „jeder sollte sich darauf vorbereiten, Staaten und Unternehmen – wir bereiten uns technisch darauf vor“, so Barnier. So oder so werde Großbritannien zum 29. März 2019 aus der EU ausscheiden und ein „Drittland“ werden.

Der Kontext

Großbritannien und die EU verhandeln seit Juni über ein Abkommen, das die künftigen Beziehungen nach dem britischen EU-Austritt am 29. März 2019 regelt. Die EU fordert aber vor der Erörterung der künftigen Beziehungen „ausreichende Fortschritte“ in drei Bereichen: die Rechte von EU-Bürgern in Großbritannien; britische Zahlungen an die EU als Entschädigung für den Ausfall britischer Beiträge; und die zukünftige Grenze zwischen Nord­irland und der Republik Irland.

Da die EU nicht sagt, was „ausreichende Fortschritte“ sind, sondern lediglich die bisherigen britischen Angebote als „nicht ausreichend“ ablehnt, ist bisher wenig passiert. Aus Londoner Sicht sind die drei Themen nicht von den künftigen Beziehungen zu trennen. Annäherung gibt es bei den Rechten von EU-Bürgern in Großbritannien und Briten in der EU, weil keine Seite die eigenen Bürger in Zukunft schlechter stellen will. Aber mangels Gesamteinigung konnten die Gespräche nicht im Oktober in die „zweite Phase“ übergehen, bei der es um die künftigen Beziehungen geht. Darüber soll nun Mitte Dezember entschieden werden. Am Freitag hatte Barnier eine Frist von 15 Arbeitstagen gesetzt, um zu einer Einigung zu kommen. Die Zeit drängt: Ein Brexit-Deal muss vom EU-Parlament, vom britischen Parlament sowie von allen EU-Mitgliedstaaten gebilligt werden.

Die Reaktionen

Großbritanniens Brexit-Minister David Davis lehnte es am Sonntag ab, neue Zahlen auf den Tisch zu legen. „Wir können nicht einfach Milliarden Pfund verschenken“, sagte er in einem TV-Interview. Britische Befürworter eines „harten Brexit“ begrüßten Barniers Äußerung. „Nachdem er sieben Monate lang wie ein Hund um britisches Geld bettelte, merkt sogar er, dass Großbritannien ganz einfach einen klaren Bruch mit Brüssel vollziehen könnte“, jubelte die Brexit-Kampagne „Leave.EU“.

Die Konsequenz

Schon seit einer Weile mehren sich die Stimmen in London, die einen Bruch mit der EU ohne Einigung besser finden. Nun wird mit Spannung erwartet, ob Finanzminister Philip Hammond in seinem Haushaltsentwurf 2018, den er am 22. November vorstellt, Geld zur ­Vorbereitung auf einen „No-Deal-Brexit“ bereitstellt. Zur Vorbereitung müssten nämlich sowohl London als auch Brüssel beginnen, Zoll­kapazitäten zu erhöhen. Möglich ist natürlich auch ein „No-Deal-Brexit“ ohne neue Schranken, bei dem bestehende Regeln einfach weitergelten. Dafür müssten beide Seiten guten Willen zeigen. Dominic Johnson